Die Hintertreppe zum Quantensprung
an Kernwaffen gearbei tet wurde. Das Einzige, was er sicher kannte, war die Qualität der deutschen Physiker: Sie hatten alle bei ihm gelernt.
So schwankte Bohr in seiner Beurteilung der Gefahr, als er im September 1941 überraschenden Besuch aus Deutschland er hielt. Ein deutsches wissenschaftliches Institut in Kopenhagen hatte eine astrophysikalische Arbeitswoche organisiert und dazu Heisenberg eingeladen, der zusammen mit von Weizsäcker in das besetzte Dänemark reiste. Heisenberg hatte kurz nach Aus bruch des Krieges den Auftrag erhalten, zusammen mit anderen Physikern die Nutzbarkeit der Kernenergie zu erkun den. Als er sich auf den Weg nach Kopenhagen machte, war der deutsche Uranverein zu der Ansicht gekommen, dass Kernwaffen zwar im Prinzip gebaut werden könnten, dass aber der Aufwand dafür zu groß sei. Vielleicht, so zumindest hoffte Heisenberg im Herbst 1941, war man in Amerika zu ähnlichen Ansichten gekommen, und vielleicht war es den Physikern daher noch möglich, selbst »zu entschei den, ob der Bau von Atombomben versucht werden solle oder nicht«.
Heisenberg wollte die Einladung nach Kopenhagen zu einem Gespräch mit Bohr nutzen. Er hoffte, Bohr könne immer noch zwischen den ehemals befreundeten und nun verfeindeten Physi kern vermitteln. Die beiden Begründer der Kopenhagener Deu tung der Quantenmechanik erörterten das schwierige Thema der Atomwaffe bei einem Spaziergang. Was wurde dabei gesagt?
Wir wissen es nicht. Wir haben aber inzwischen ein Theaterstück – Kopenhagen von Michael Frayn –, das mit großem Erfolg weltweit aufgeführt wird und in dem mehrere Möglichkeiten angeboten werden, wie das Gespräch zwischen Bohr und Heisenberg verlaufen sein könnte. Vielleicht kann nur das Theater und nicht die Wissenschaftsgeschichte herausfinden, was Bohr und Heisenberg wirklich miteinander geredet haben.
Heisenberg selbst berichtet in seinen Erinnerungen, dass er das Gespräch mit einer vorsichtigen Andeutung darüber begonnen habe, dass Atombomben konstruiert werden können. Dies war sicher ein schwerer Fehler. Bohr musste ent setzt reagieren. Sein Land litt schon genug unter der deutschen Besatzung, und nun sprach sein bester und ehrgeizigster Schüler von der Mög lich keit, eine Atombombe zu bauen, die einen länger dauern den Krieg zu Deutschlands Gunsten entscheiden könnte. Dies jedenfalls entnahm Bohr Heisenbergs Äußerungen, wie Mitglie der der Familie berichteten, zu denen ein tief besorgter und betrof fener Bohr nach dem Spaziergang zurückkehrte.
Für eine offene Welt
Bohr hat sich immer wieder bemüht, seine Vorstellungen von einer offenen Welt durchzusetzen. Nur in ihr sah er die Sicherheit aller Staaten garantiert. Im Jahre 1950 unternahm er einen letzten Versuch. Ein Jahr nach der Gründung der NATO und des Warschauer Pakts wandte er sich an die Weltöffentlichkeit. Bohr schrieb einen offenen Brief an die Vereinten Nationen, den er auf einer Presse konferenz verlesen wollte. In ihm heißt es unter anderem: »Da es für die Menschheit kaum infrage kommt, auf die mög liche Verbesserung der materiellen Verhältnisse der Zivilisation durch Atomenergiequellen zu verzichten, ist offenbar eine tief grei fende Anpassung der internationalen Verhältnisse notwen dig, falls die Zivilisation weiterleben soll. Der entscheidende Punkt hierbei ist, dass jede Garantie dafür, dass die Fortschritte der Wissenschaft nur zum Nutzen der Menschheit angewandt werden, die gleiche allgemeine Haltung voraussetzt, die für die Zusammen arbeit zwischen den Nationen in allen kulturellen Be reichen unent behrlich ist. Das höchste Ziel muss eine offene Welt sein, in der jede Nation sich allein durch ihre Beiträge zur gemeinsamen menschlichen Kultur und durch die Hilfe behaupten kann, die sie durch ihre Erfahrungen und Hilfsmittel den anderen zu leisten vermag. Bei spiele hierfür können jedoch nur wirkungsvoll werden, falls man Schranken aufgibt und freie Diskussion über kulturelle und so ziale Fragen über Landesgrenzen hinweg zulässt. (…) Die Entwicklung der Technik hat jetzt ein Stadium erreicht, in dem die Kontaktmöglichkeiten die ganze Menschheit zu einer zusammenarbeitenden Einheit zu verbinden vermögen, aber zu gleich verhängnisvolle Folgen für die Zivilisation entstehen kön nen, wenn nicht internationale Meinungsverschiedenheiten durch Verhand lungen auf Grundlage des freien Zugangs zu Informatio nen über alle diesbezüglichen Fakten überwunden werden können. Gerade die
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