Die Hintertreppe zum Quantensprung
er die physikalisch-mathematischen Gegebenheiten elegant darstellt.
Das Prinzip der Ausschließung
Nach der Promotion 1921 verlässt Pauli sein bislang vertrautes Umfeld, um kurze Gastspiele in Göttingen, Hamburg und Kopenhagen zu geben. Dabei lernt er Niels Bohr kennen, und zwischen beiden entwickelt sich eine lebenslange und stets ungetrübte Freundschaft. Nach den Wanderjahren kehrt Pauli an die Elbe zurück, um fünf Jahre lang in Hamburg zu bleiben, und zwar als Assistent von Wilhelm Lenz, bei dem er sich auch habilitiert. In dieser Zeit zwischen 1923 und 1928, in der es Heisenberg und Schrödinger gelingt, ihre beiden gleichberechtigten Versionen der Quantenmechanik vorzulegen, unterbreitet Pauli einen physikalischen Vorschlag, der ihm am Ende des Zweiten Weltkriegs den Nobelpreis für sein Fach einbringen wird. Die Idee wird heute in den Lehrbüchern als sogenanntes Ausschließungsprinzip eingeführt und häufig Pauli-Prinzip genannt. In einfachster Form ausgedrückt, erkennt Pauli, dass zum Beispiel Elektronen in einem Atom nicht jeden Zustand annehmen können. Es gibt vielmehr die Einschränkung, dass ein Elektron von dem Zustand ausgeschlossen ist, den ein anderes Elektron schon besetzt hat. Mit anderen Worten: Elektronen verhalten sich wie konsequente Individualisten (übrigens im Gegensatz zu den Teilchen des Lichts, den Photonen, die alle den gleichen Zustand einnehmen und dann zum Beispiel als sichtbarer Lichtstrahl in Erscheinung treten können).
So leicht und selbstverständlich sich dies vielleicht anhört und so sehr das Pauli-Prinzip die gesamte Physik beeinflusst, so schwierig war es 1924, den Physikern diesen Gedanken nahezulegen. Viele sprachen von »Schwindel« und »Unsinn«. Denn durch welchen Mechanismus sollte das Verbot, den gleichen Zustand anzunehmen, in die Tat umgesetzt werden und überhaupt erst zustande kommen?
Die eigentliche Pointe des Prinzips steckt in der Tatsache, dass Pauli es nur formulieren konnte, indem er über das hinausging, was die Physiker von den Elektronen wussten bzw. annahmen. Die Quantenmechanik erlaubt den Mitspielern auf der atomaren Bühne nur diskrete, das heißt durch Quantensprünge getrennte Zustände, die man bequemerweise durch geeignete Quantenzahlen charakterisiert. Für ein Elektron kannten die Physiker damals drei Quantenzahlen, und das Unverschämte an Paulis Vorschlag von 1924 bestand darin, dass Pauli mir nichts dir nichts einfach eine vierte Quantenzahl einführte und zudem ausdrücklich und bewusst darauf verzichtete, diese neue Zahl durch eine klassisch-physikalisch verständliche Eigenschaft zu veranschaulichen. Vielmehr empfahl er seinen Kollegen, alle entsprechenden Bemühungen zu unterlassen. Der von ihm vorgeschlagene Freiheitsgrad des Elektrons sollte »eine klassisch nicht beschreibbare Art von Zweideutigkeit« sein.
Dies erscheint vielleicht alles wie Wahnsinn, aber es hatte Methode. Tatsächlich dauerte es nicht lange, bis in Experimenten Konsequenzen genau dieser unbekannten Qualitäten von Elektronen nachgewiesen werden konnten, die sich mit Paulis vierter Quantenzahl erfassen ließen. Diese Methode handelt von dem, was seit dieser Zeit unter dem Namen »Spin« bekannt ist, und wie wichtig der Elektronenspin ist, weiß jeder Chemiker, der versucht, Bindungen zwischen Atomen und Molekülen zu erklären. Ohne Hilfe des Spins käme er dabei nicht zurecht. Anders gesagt, ohne die von Pauli theoretisch vorhergesagte Quantenzahl gäbe es keine chemische Bindung – und damit keine Moleküle des Lebens.
Professor mit Neurose in Zürich
Der Aufenthalt in Hamburg endet 1928, als Pauli einen Ruf der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zü-rich annimmt und in die Schweiz übersiedelt. Dort verbringt er – abgesehen von Reisen und Forschungsaufenthalten in den USA, deren Staatsbürger er 1946 wird – den Rest seines nicht allzu langen Lebens, das bereits am 15. Dezember 1958 endet.
Der Wechsel nach Zürich geht mit dem Beginn einer Neurose einher, wie Pauli seinen damaligen Gemütszustand nennt. Er tritt 1929 aus der katholischen Kirche aus und heiratet (in Berlin) die junge Tänzerin Käthe Deppner. Die Ehe wird aber schon 1930 wieder geschieden. Hier sei eine kritische Anmerkung gestattet: Historiker, die sich mit dem Nachlass Paulis beschäftigen, schweigen diese erste Heirat gerne tot, allenfalls lassen sie sich zu nichtssagenden Bemerkungen wie »Ehe von kurzer Dauer« hinreißen. Es ist überhaupt ärgerlich, wie
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