Die Hintertreppe zum Quantensprung
Wirklichkeit vorzustellen sind. Wir wollen aber fragen, ob in den Texten erkennbar vom Autor preisgegeben wird, was ihn zu dem damals doch revolutionären Gedanken von Materiewellen gebracht hat. Eine Logik der Forschung kann dabei nicht am Werk gewesen sein. Aber was dann?
In dem Band Licht und Materie schildert de Broglie unter der Überschrift »Materie und Licht in der modernen Physik« zunächst das Bemühen von Lukrez bis Einstein, mit diesen Phänomenen ins Reine zu kommen. Dann referiert er über die Quanten und ihre Sprünge und stellt im Zuge dessen Einsteins Lichtquanten, die Photonen, vor bzw. erzählt von den Experimenten, die ihre Existenz nahelegen. Er weist darauf hin, dass in den frühen Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts allgemein der Eindruck entstand, dass die klassische Mechanik für Teilchen im Inneren des Atoms modifiziert werden musste, wobei der Grund dafür »lange Zeit ein Geheimnis geblieben« ist. Just an dieser Stelle kommt er auf sich selbst zu sprechen: »Beim Durchdenken dieser Fragen gelangte der Verfasser im Jahre 1923 zu der Überzeugung, dass es sowohl in der Theorie der Materie wie in der Strahlentheorie unbedingt notwendig ist, gleichzeitig Korpuskeln und Wellen anzunehmen, um eine einheitliche Lehre zu erhalten, die ermöglicht, die Eigenschaften der Materie und die Eigenschaften des Lichtes zugleich zu interpretieren.« De Broglie erläutert sodann, wie sein Gedanke der Dualität von Materie experimentelle Triumphe feiern konnte, ohne aber das Folgende aus dem Blick zu verlieren: »Der Grund, warum es diese beiden Aspekte [Welle und Teilchen] gibt, und die Art und Weise, wie es möglich wäre, sie zu einer höheren Einheit zu verschmelzen, sind immer noch ein Geheimnis. (…) Das Auftreten solcher Schwierigkeiten darf keineswegs wundernehmen. Jedes Mal, wenn es dem menschlichen Geist um den Preis großer Bemühungen gelungen war, eine Seite des Buches der Natur zu entziffern, hat sich sofort gezeigt, wie viel schwieriger erst die Entzifferung der folgenden Seite sein würde. Trotzdem hindert ihn ein tiefer Instinkt daran, den Mut sinken zu lassen, und veranlasst ihn, seine Anstrengungen zu erneuern, um immer wieder fortzuschreiten in der Erkenntnis von der Harmonie der Natur.«
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Wolfgang Pauli (1900–1958)
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Die Nachtseite der Wissenschaft
Es hat sehr lange gedauert, bis Wolfgang Pauli, einer der ganz Großen unter den Physikern des 20. Jahrhunderts, seinen Biografen gefunden hat. Dafür gibt es einen guten Grund, und zwar die ungeheure Weite und Tiefe seines Denkens und inneren Erlebens. Pauli hat nämlich nicht nur versucht, neben der bewusst eingesetzten Lichtseite des Verstandes und seiner Rationalität auch die nur unbewusst eingreifende Nachtseite der Wissenschaft mit ihren Träumen zu berücksichtigen; er wollte die hier fließenden Quellen der Erkenntnis dingfest machen. Pauli tat dies, weil er früher als viele andere spürte, dass der Sachverstand der Experten alleine gefährlich werden kann und ein Gegengewicht braucht, wie er einmal anschaulich formuliert hat: »Nach meiner Ansicht ist es nur ein schmaler Weg der Wahrheit (sei es eine wissenschaftliche oder sonst eine Wahrheit), der zwischen der Scylla des blauen Dunstes von Mystik und der Charybdis eines sterilen Rationalismus hindurchführt. Der Weg wird immer voller Fallen sein, und man kann nach beiden Seiten abstürzen.«
Pauli war stets auf der Suche nach der Balance, die den Absturz vermeidet, was unter Zeitgenossen, die den Weg ihrer wissenschaftlichen Rationalität für absolut sicher hielten, schwerfallen musste. In Paulis Weltbild war kein Platz für solche Einseitigkeiten, und er betrachtete es »fast wie ein Dogma, dass Gegensatzpaare symmetrisch behandelt und bewertet werden müssen«, wie er noch kurz vor seinem Tode schrieb, »und hierzu gehört auch das Paar Geist/Materie«, das im 17. Jahrhundert getrennt worden war und erst jetzt mit den Quanten wieder zusammengefügt werden konnte.
Gemäß dem Grundsatz der Symmetrie und nach dem Prinzip des Gleichgewichts traute Pauli nicht nur dem denkenden, sondern auch dem fühlenden Menschen Erkenntnischancen zu. Das Unbewusste konnte seiner Ansicht nach ebenso einen Beitrag zu unserem Weltbild liefern wie das bewusste Erleben. Pauli glaubte, dass westlich erzogene Wissenschaftler erst dann das Glück, das alle Menschen suchen, finden, wenn sie im Fühlen und Träumen so stark wären wie im Denken und Wachen.
Natürlich haben solche
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