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Die Hintertreppe zum Quantensprung

Die Hintertreppe zum Quantensprung

Titel: Die Hintertreppe zum Quantensprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Peter Fischer
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Kopenhagen mit den wilden Quantenphysikern um Max Born und Niels Bohr zusammenzuarbeiten. Nachdem er den dort praktizierten Stil des freien Diskutierens, das sachdienliche Zulassen vernünftiger Verrücktheiten erlebt sowie andere Annehmlichkeiten des Lebens erfahren hatte, beschlich ihn das Gefühl, nicht mehr Bürger der UdSSR bleiben zu können. Trotz zunehmenden Drucks durch die sowjetische Geheimpolizei wollte Gamow stattdessen im Westen leben. Er kehrte zunächst zwar noch einmal – der Liebe wegen – in seine Heimat zurück, aber nur, um dann mit seiner Frau anschließend einige Fluchtversuche zu unternehmen. Sie probierten, mit einem Kajak erst über das Schwarze Meer in die Türkei zu kommen und im zweiten Anlauf über die Barentssee nach Norwegen überzusetzen. In beiden Fällen aber scheiterten sie am stürmischen Wetter. Als Gamow 1934 die überraschende Erlaubnis zu einem weiteren Besuch im westlichen Europa erhielt, nahm er diese unverhoffte Chance natürlich wahr. Zusammen mit seiner Frau setzte er sich in Brüssel von der sowjetischen Delegation ab und floh in die USA, wo er über Washington und New York den Weg nach Denver fand. Dort trat er an der Universität von Colorado eine Stelle als Professor für Physik an. Sie sollte die letzte Station seiner turbulenten Lebensreise sein. Gamow und seine Frau kehrten im Übrigen nie mehr in ihre russische Heimat zurück, die ihn in Abwesenheit zum Tode verurteilt hatte.
Schabernack und mehr
    Gamow muss trotz oder wegen seiner Herkunft ein fröhlicher und witziger Mensch gewesen sein, der dauernd zu einem Schabernack aufgelegt war. Er steckte Hemden in fl üssigen Stickstoff, zerteilte ein gefrorenes Tuch und benutze die Bruchstücke als Postkarten. Berühmt ist seine Ableitung, dass Gott seine Zelte 9,5 Lichtjahre von der Erde entfernt aufgeschlagen habe, was sich daraus ergebe, dass zwar 1904 in allen Kirchen Russlands für die Vernichtung Japans gebetet worden sei, dass es aber 19 Jahre – bis 1923 – gedauert habe, bis es dort zu einem schweren Erdbeben gekommen ist. In der wissenschaftlichen Welt ebenfalls bestens bekannt ist seine Bitte an den berühmten Physiker Hans Bethe (1906–2005). Der sollte bei einer Arbeit, die Gamow mit seinem Schüler Ralph Alpher (1921–2007) publizieren wollte, als dritter Autor agieren, und zwar aus einem einzigen Grund: In der Geschichte der Wissenschaft würde es so eine Arbeit geben, deren Autoren – Alpher, Bethe und Gamow – zusammen wie die Anfangsbuchstaben des griechischen Alphabets klingen, nach denen Ernst Rutherford die Alpha-, Beta- und Gammastrahlen der Physik benannt hat, mit deren Entdeckung und Untersuchung die Atomphysik erst in Schwung gekommen ist. Die Arbeit ist tatsächlich 1948 erschienen und verspricht im Titel, den »Ursprung der chemischen Elemente« zu klären, wobei die Autoren nicht ein Geschehen auf der Erde im Sinn hatten, sondern das Auftauchen von Wasserstoff, Sauerstoff und anderen Elementen im frühen Universum meinten. Die Quantensprünge erlaubten einen streng wissenschaftlichen Zugang zu dieser uralten Frage, und Alpher und Gamow, die beiden Hauptautoren, machten sich mit den Methoden der neuen Physik daran, ein Universum zu modellieren, in dem es noch keine Elemente gab, wie wir sie heute kennen, sondern in denen diese Basisbausteine erst entstehen mussten. Dies geschah mithilfe von Strahlungen und anderen Energieformen, die vorausgesetzt wurden und sich mit der Mathematik der Quanten erfassen und verteilen ließen. Doch bevor wir darauf eingehen und erläutern, wie dabei dank der Quanten sogar die Idee eines Urknalls kalkulierbar und hoffähig wurde, muss noch mehr über die Persönlichkeit und allgemeine wissenschaftliche Qualität von Gamow gesagt werden. Das soll anhand von drei Stichpunkten passieren: Tunneleffekt, genetischer Code und Mr. Tompkins , wobei wir den erstgenannten Tunneleffekt aus dramaturgischen Gründen zuletzt betrachten wollen. Denn er stellt Gamows frühen (1928) und zugleich grandiosen Beitrag zum Verständnis der atomaren Wirklichkeit mit ihren Quantensprüngen dar, der allerdings im Verlauf des Zweiten Weltkriegs etwas von seiner Unschuld einbüßte, da er das mysteriöse Geschehen, das zur Freisetzung der Kernenergie führt, verständlich machen konnte.
    Tatsächlich verließen viele Wissenschaftler die Physik, als nach 1945 explodierende Atombomben mit Rauchpilzen sichtbar wurden. Sie taten diesen Schritt unter anderem, um sich einer ganz neuen

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