Die Hintertreppe zum Quantensprung
Wissenschaft, der Molekularbiologie, zuzuwenden, die damals ihre ersten sensationellen Erfolge feiern konnte. Ausgelöst wurde die Physikerwanderung durch das bis heute aufgelegte und berühmte Buch Was ist Leben? von Erwin Schrödinger, in dem der berühmte Nobellaureat 1945 vorschlug, die Gene als eine Art Code-Script zu sehen, in dem Informationen stecken und vermittelt werden. Aufgrund dieses Hinweises fi ngen viele Forscher an, sich Gedanken über die Frage zu machen, wie ein genetischer Code aussehen und funktionieren könne, um das Leben mit seiner Biochemie hervorzubringen.
Dass es einen solchen Code geben müsse, wussten die Wissenschaftler spätestens seit 1953, als entdeckt wurde, dass sowohl die Erbsubstanz (die Gene) als auch ihre Produkte (die Proteine) chemisch gleichartig gebaut sind, nämlich als Ketten von allerdings unterschiedlichen Bausteinen. Der Code würde die Reihenfolge der Glieder einer Kette in die der anderen übertragen, und Gamow war der Erste, der sich ernsthaft überlegte, wie dies im Detail aussehen bzw. mit Molekülen bewerkstelligt werden könnte.
Ihn lockte dabei nicht zuletzt die Tatsache, dass die Natur bei den benutzten Bausteinen sparsam umgegangen war und ihr zum Beispiel 20 Moleküle (Aminosäuren) reichten, um alle Proteine herzustellen, mit denen Zellen ihre chemischen Reaktionen ablaufen lassen konnten. Gamow gründete einen Klub mit 20 Mitgliedern, zu dem auch der legendäre Physiker Richard Feynman gehörte. Jedem Mitglied des sogenannten RNA-Tie-Clubs [4] wurde einer der Bausteine zugewiesen, aus denen Zellen die lebenswichtigen Proteine bauten. Diese Moleküle wurden (und werden) im Fachjargon mit drei Buchstaben abgekürzt, und Gamow konnte der Versuchung nicht widerstehen, sich selbst das Kürzel Ala zu geben, das zwar offi ziell auf die Aminosäure Alanin hinweist, das man aber auch so aussprechen kann, als sei mehr damit gemeint, für Menschen einer bestimmten Glaubensrichtung sogar sehr viel mehr.
Nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte Gamow eine Neigung, populäre Bücher zu schreiben, mit denen er auch einiges Geld verdiente. Er erfand zu diesem Zweck eine Figur namens Mr. Tompkins, die er durch wunderliche Welten reisen lässt. Diese Welten werden durch moderne physikalische Theorien bestimmt und mit dem gesunden Menschenverstand kommt man dort nicht sehr weit. In Anlehnung an die berühmte Alice im Wunderland stellte Gamow 1946 als erstes Buch die Abenteuer von Mr. Tompkins in Wonderland vor, und einige der Bände werden bis heute aufgelegt wie auch sein allgemeinverständliches und nach wie vor lesenswertes Buch mit dem hübschen Titel Eins, zwei, drei … Unendlichkeit , das auf Deutsch zum ersten Mal 1958 erschienen ist.
Der Tunneleffekt
Gamow hat kurz vor seinem Lebensende auch The Story of Quantum Theory , die Geschichte der Quantentheorie, in Buchlänge aufgeschrieben, und er hat sich dabei an bedeutenden Personen orientiert, wie wir es hier auch tun. Die Helden heißen Planck, Bohr, Pauli, de Broglie, Heisenberg, Dirac und Fermi, wobei es nur allzu bedauerlich ist, dass er seinen eigenen Beitrag zur Wissenschaftsgeschichte nicht einmal im Hintergrund anspricht.
Gemeint ist die Erklärung für die zunächst vielfach verwirrende Beobachtung, dass beim radioaktiven Zerfall Teilchen aus dem Atomkern herausgeschleudert werden. Verwunderlich ist dieser Tatbestand deshalb, weil – nach allem, was die Physiker sagen konnten – die Energien der austretenden Teilchen nicht ausreichten, um die Barriere zu überwinden, die von der Natur um den Kern herum errichtet worden war, mit dem Ziel, das dort versammelte Ensemble von Elementarteilchen an seinem Platz zu halten. Bei dem sogenannten Betazerfall spaltet sich zum Beispiel ein Neutron in ein Proton und ein Elektron auf, das dann den Atomkern nachweislich verlässt, was aber nach klassischem Verständnis gar nicht sein darf. Jedenfalls nicht in der traditionellen Form des wissenschaftlichen Denkens, in dem der gesunde Menschenverstand das Sagen hat. Mit dieser Beschränkung bricht aber die Physik der Quantensprünge. In ihr kann auch sein, was nicht sein darf, und Gamow wollte wissen, wie das passieren kann.
Die Physiker sprechen bei der (experimentell nachweisbaren) Fähigkeit atomarer Objekte, Hindernisse auch dann zu überwinden, wenn ihre Energie dazu nicht ausreicht, von einem Tunneleffekt. Es gibt einen Film von 1959 – Ein Mann geht durch die Wand mit Heinz Rühmann als Hauptdarsteller –, in
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