Die Hintertreppe zum Quantensprung
ist die Idee, dass Elektronen in Kristallen sogenannten Bändern zugeordnet werden können. Das heißt, die Energie, über die Elektronen verfügen, sorgt dafür, dass sie entweder beweglich sind oder an bestimmten Atomen haften bleiben. Bei Letzteren handelt es sich um diejenigen Atome, die das Gitter bilden, welches dem Festkörper seine Form gibt (bzw. welches ihn erst im Unterschied von Pulvern oder etwa Flüssigkeiten zum Festkörper macht). Bekanntlich bedingt die Existenz von Quanten, dass nicht alle Zustände erlaubt sind, es also auf der Energieskala Bereiche gibt, in denen sich kein Elektron aufhalten und somit existieren kann. Bei einzelnen Atomen führt diese Quantenbedingung zu den getrennten Bahnen des Bohr’schen Modells bzw. zu den getrennten Aufenthaltswahrscheinlichkeiten, wenn man sich ein korrekteres Bild von der Situation im Atom macht. In einem Festkörper gibt es nun aber so viele Elektronen, dass sich ihre mit den Quantenbedingungen zu vereinbarenden Bereiche überlappen. Sie verschmieren und weiten sich zu einem Band aus, wie man sagt. Dabei lässt sich ein Band mit hoher von einem Band mit geringer Energie unterscheiden, sodass sie in der Fachwelt zwei verschiedene Namen tragen, nämlich »Leitungsband« bzw. »Valenzband«.
Der erste Name ist leicht verständlich. Denn wenn sich Elektronen im sogenannten Leitungsband befi nden, können sie sich bewegen, und somit leitet der Festkörper Strom, sonst nicht. Mit dem zweiten Namen hat es Folgendes auf sich: Ein Metall (wie Kupfer) ist aus der Sicht eines Quantenphysikers dadurch charakterisiert, dass Elektronen leicht aus dem Valenzband, das ihrem gebundenen Grundzustand entspricht, in das Leitungsband, welches ihrem beweglichen angeregten Zustand entspricht, springen können. Bei einem Isolator (wie Glas) ist die Lücke für den Sprung zu groß, um unter normalen Umständen überwunden zu werden, und so halten sich die Elektronen überwiegend im Valenzband auf. Mit seinem Namen will man andeuten, dass dort viele Elektronen bereitstehen, um eventuell auf die Reise zu gehen, die sich als elektrischen Strom zeigt. Zwischen diesen beiden genannten Festkörperarten stehen die sogenannten Halbleiter, deren Name korrekt ausdrückt, was sie können, nämlich manchmal einen Strom leiten und manchmal nicht. Bei ihnen hängt die Lücke – die Größe des Quantensprungs – zwischen Leitungs- und Valenzband stark von äußeren Bedingungen (etwa der Temperatur) ab. Das wirkte zunächst eher störend, bis man bemerkte, dass diese Flexibilität im Gegenteil einen Glücksfall darstellt, der bald genutzt werden konnte – vor allem in den Transistoren, für die Bardeen seinen ersten Nobelpreis erhalten hat.
Der Weg zu Bell
Nachdem Bardeen 1936 seinen Doktortitel erwerben konnte, nahm er einen (ziemlich ruhigen) Posten als Assistenzprofessor an der Universität von Minnesota an, dem er bis 1941 treu blieb, bevor er – wie viele andere Wissenschaftler auch – für kriegswichtige Vorhaben von der US Navy nach Washington beordert wurde. Hier beschäftigte er sich unter anderem mit der Entwicklung von Minensuchgeräten, und zwar als »ziviler Physiker« in militärischen Kreisen. Bardeen erfüllte diesen Job bis 1945, und nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs suchte und fand er eine Stelle in den Forschungslaboratorien, die eine Telefongesellschaft, die Bell Telephone Company, in New Jersey errichtet hatte. In den heute legendären Bell Labs kümmerte sich eine engagierte Gruppe von Physikern um die Erforschung von Festkörpern, und ihr schloss sich Bardeen an. Der solid state und seine Möglichkeiten hatten es ihm angetan.
Während er mit der Anfertigung seiner in Princeton eingereichten Doktorarbeit beschäftigt war, konnte Bardeen einige Zeit an der Harvard Universität verbringen und dort den aus Deutschland bzw. aus Europa vertriebenen Physikern zuhören, die man auch als Hitlers Geschenk an die freie Welt bezeichnen kann. Diese bemühten sich unter anderem darum, den 1911 entdeckten Zustand von Metallen zu verstehen, den man Supraleitung nannte, weil in ihm jeder elektrische Widerstand verschwand. Supraleitung trat in kristallinen Materialien ein, wenn sie nur hinreichend tief abgekühlt wurden, und die Physiker bissen sich bei dem Versuch, diesen Zustand von Elektronen in einem Metall zu erklären, die Zähne aus. Der aus Leipzig gefl ohene Felix Bloch hat damals in Harvard das formuliert, was man manchmal ironisch das Erste Bloch’sche Theorem
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