Die Hintertreppe zum Quantensprung
nennt. Es besagt: »Jede Theorie der Supraleitung kann widerlegt werden.« Das stimmte allerdings nur so lange, bis Bardeen sich in den 1950er-Jahren an das Thema wagte.
1933 hatten zwei ebenfalls vor Hitler gefl ohene Brüder, Fritz und Heinz London, eine klassische Theorie der Supraleitung entwickelt, die in Harvard stark erörtert wurde und Bardeen imponierte. Zur Erklärung des Phänomens nahmen die Brüder unter anderem an, dass in einem Supraleiter der Strom nicht mehr proportional zu einer elektrischen Spannung ansteigt, wie das sonst der Fall ist, sondern dass das entsprechende elektrische Feld für eine zeitliche Änderung des Stroms sorgt. Fehlt solch ein Feld, kann es auch keine Änderung mehr geben, und der Strom hört nicht mehr auf zu fließen, wie es im Experiment beobachtet wird.
Noch wusste niemand, wie diese klassischen Gedanken der Brüder London mit den neuen Quantenbedingungen zu kombinieren waren, aber Bardeen erfuhr bei den Diskussionen in Harvard aus erster Hand, dass das erwähnte Konzept einer Bandlücke wesentlich sein konnte oder gar musste, wenn er auch in den späten 1930er-Jahren selbst noch wenig damit anfangen konnte. In dieser Zeit – genauer 1938 – fing er dafür etwas anderes an, nämlich mit der Gründung einer Familie. Er heiratete seine große Liebe Jane Maxwell, und die Familie wuchs bald auf fünf Mitglieder an.
Halbleiter
Bardeen begann seine Tätigkeit bei den Bell Labs im Oktober 1945. An seinem ersten Arbeitstag traf er mit dem Experimentalphysiker Walter Brattain zusammen, der dort seit 1929 beschäftigt war. Die beiden teilten sich ein Büro und verstanden sich von Anfang an gut. Ihre gemeinsame Aufgabe bestand darin, mithilfe von Halbleitern die elektronischen Effekte zu erzielen, die bislang mit Röhren zustande kamen. Röhren – das meinte Vakuumröhren, in denen durch geeignete Elemente (Kathode, Anode, Gitter) Strom fließen konnte, und zwar steuerbar. Diesen Effekt nutzte man in der Praxis, um beispielsweise Verstärker, Empfänger und mit ihnen Radiogeräte zu bauen.
Immer schon haben Leute, Wissenschaftler wie Unternehmer, nach Wegen gesucht, elektrische Signale zu blockieren oder zu verstärken, um mit den entsprechenden Schaltungen Rechen- oder Sendeanlagen zu konstruieren. In den Kindertagen des elektronischen Zeitalters wurden schwache elektrische Ströme von solchen Vakuumröhren verstärkt, die aber nicht der Weisheit letzter Schluss sein konnten, da sie nur über eine begrenzte Lebensdauer verfügten. Sie gingen überhaupt leicht kaputt und brauchten überdies viel zu viel Platz. Die Suche nach Alternativen hatte also schon früh die Aufmerksamkeit der Forscher auf Halbleiter gelenkt, die zumindest so beeinfl usst werden konnten, dass sie etwa als Gleichrichter agierten und nur Strom in eine Richtung durchließen. Dies wusste man bereits seit dem Ende des 19. Jahrhunderts. In den folgenden Jahren lernte man dann, Halbleiter nach Wunsch herzustellen – und als Bardeen bei Bell anfing, konnte man endlich auch erklären, was dabei passierte. Man nutzte das erwähnte Bändermodell der Festkörperphysik und bemühte sich, mit seiner Hilfe Situationen auszudenken und herzustellen, in denen das Leitungsband eines Halbleiters leicht oder schwer zu füllen war.
Der Halbleiter, der in Bardeens Tagen bei Bell am meisten Interesse bei ihm fand, ist als Silizium (in den Chemiebüchern mit c als Silicium) bekannt. Es findet sich zum Beispiel im Sand, der chemisch vorwiegend aus dem Stoff Siliciumdioxid besteht, welchem man in reiner Form als Quarz begegnet. Das chemische Element heißt auf Englisch silicon , und das berühmte Silicon Valley, das bei San Francisco liegt und in den 1970er-Jahren die Wiege der amerikanischen Computerindustrie wurde, trägt seinen Namen (man muss sich allerdings davor hüten, aus dem amerikanischen silicon bei einer Übersetzung das deutsche Silikon zu machen).
Wenn man sich das Silizium als Atom vorstellt, um seine Bedeutung und Einsatzfähigkeit zu erklären, kommt es auf die vier Elektronen an, die seine äußere Schale ausmachen. In einem Gitter (Kristall) aus Silizium befinden sich diese Elektronen vornehmlich im Valenzband, das weit vom Leitungsband entfernt liegt. Deswegen kommt im Normalfall kein Stromfluss zustande. Dies kann man nun entscheidend ändern, indem ein Siliziumkristall gezielt mit einem Element ausgestattet (dotiert) wird, das über fünf Außenelektronen verfügt, zum Beispiel mit Phosphor. Jedes
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