Die Hirnkoenigin - Roman - Ausgezeichnet mit dem Deutschen Krimipreis
Kyras nackte Beine, der nicht nur besorgt war. »Das tut mir Leid. Das wollte ich nicht.«
»Erzähl mir nix. Du hast nichts mehr gehofft, als mich aus dem Bett zu holen. - Komm schon rein.« Sie wickelte den kurzen Kimono etwas ausschnittsärmer und ging in die Küche. »Willst du was trinken? Whisky ist alle.«
Franz folgte ihr bis an die Küchenschwelle. »Was trinkst du?«
»Bislang gar nix. Das ist nämlich das eigentlich Gesunde am Schlafen. Dass man in der Zeit nix trinkt.« Sie riss ihren Mund nochmals zu einem gewaltigen Gähnen auf und verschwand hinter der Kühlschranktür.
Die Bierdose kam zu plötzlich und zu steil angeflogen, als dass Franz eine ernsthafte Chance gehabt hätte, sie zu fangen.
»Jessas, verzeih, ich bin so ungeschickt, ich -« Umständlich kroch er der geplatzten Dose hinterher, die unter dem Küchentisch sprühte wie ein leckes Rohr.
Kyra winkte ab. »Vergiss es. Kannst du noch draus trinken, oder willst du eine neue?«
»Geht eh schon, geht eh schon«, sagte Franz hastig und klopfte sich den Staub von der Hose.
»Komm«, Kyra stieß ihm mit dem Ellenbogen in die Rippen. »Lass uns ins Schlafzimmer gehen. Wenn du sowieso nur zum Spannen hergekommen bist, kann ich mich auch wieder hinlegen.«
Sie fegte den Kleiderberg von dem roten Samtstuhl, der in der Ecke des Schlafzimmers stand, und stellte ihn neben das Bett. Mit einem behaglichen Seufzer ließ sie sich auf die Matratze sinken und streckte sich aus. Sie zog die Decke bis unter die Nase.
»Und was jetzt? Erzählst du mir eine Gutenachtgeschichte?«
Franz lächelte sie zögernd an. »Ich - ich wollte mich entschuldigen. Für heute Mittag. Dass ich nicht begriffen habe, dass dir die Sache mit dem Ohr ernst war.«
Kyra runzelte die Stirn und griff nach der Zigarettenschachtel, die auf der Bettkante lag. »Ach was. Wenn ich mit mir am Tisch gesessen hätte, hätt ich auch nicht gemerkt, dass es ernst war.«
»Nein. Du musst das nicht herunterspielen. Es war dumm von mir. Dumm und unsensibel.«
»Franz, ich bitte dich. Wenn du unsensibel bist, was bin ich dann? Godzilla?« Sie blies eine lange Rauchschwade aus.
»Du - du bist die wunderbarste Frau, die ich jemals getroffen habe.«
Die Zigarette fiel auf das Kopfkissen. Kyra schoss in die Höhe. »Franz. Um Himmels willen. Versprich, dass du mich nie wieder so erschreckst.«
»Kyra.« Ein Blick aus tiefbraunen Augen. »Diesmal ist es mir ernst.«
»Und was soll aus diesem Ernst werden, wenns fertig ist?«
»Jessas, Kyra, sei doch nicht so stur. Als ich dich da heute in deinem Büro hab sitzen sehen, mit dem zermatschten Auge und den blauen Flecken und dem rausgeschlagenen
Zahn, da - da - ich musste dir einfach mal sagen, was ich für dich empfinde.«
»Na, das hast du ja jetzt erfolgreich getan.« Wütend rubbelte Kyra an dem kleinen Brandfleck auf ihrem Kopfkissen. »Sonst noch was?«
»Du kannst mir nicht verbieten, dass ich mir Sorgen um dich mache.« Franz rutschte vom Stuhl auf die Bettkante hinüber. Seine Hand tändelte um ihren Hals herum und verfing sich in ihrem Nacken. »Es ist gefährlich, was du da tust.«
Kyra erstarrte. In Zeitlupe nahm sie die Zigarette von den Lippen. »Franz«, sagte sie. »Ich glaube, was du gerade tust, ist viel gefährlicher.«
»Ihr Mann war nicht betrunken. Ihr Mann wurde nicht Sonntag, sondern Samstagnacht ermordet. Ihrem Mann wurde der Kopf nicht mit einem Beil abgehackt.«
Erika Konrads Augen waren zwei dunkle Löcher. Bei jedem Wort, das Heinrich Priesske ihr entgegenbrüllte, zuckte sie zusammen. Sein Gesicht kam so nahe, dass sie seinen Atem riechen konnte. Schokolade. Der Kommissar hatte Schokolade gegessen.
»Ihrem Mann wurde der Kopf mit einem Messer abgetrennt.«
Sie schrie. Und hielt sich die Ohren zu.
Priesske packte sie. »Hören Sie endlich auf mit dem Theater.« Er schüttelte sie. »Frau Konrad. Sie wissen ganz genau, wer Ihren Mann umgebracht hat.« Zornig ließ er sie los.
»Nein! Nein!« Erika Konrad zog das Wasser in der Nase hoch. Eifrig verrieb sie den Rotz, der ihr über die Oberlippe gelaufen war. Ihre Augen hatten zu flirren begonnen wie zwei Bildschirme nach Sendeschluss. »Herr Kommissar. Sie müssen mir glauben. Ich war es. Es ist einzig und allein meine Schuld.« Sie warf sich zu Boden und umklammerte seine Beine. »Meine Schuld. Meine Schuld. Meine Schuld.«
Mit einem leichten Tritt befreite sich Heinrich Priesske von ihrem Griff. Er ging zu Kommissar Törner, der soeben den Verhörraum
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