Die Hirnkoenigin - Roman - Ausgezeichnet mit dem Deutschen Krimipreis
Kühlschrank.
Franz atmete tief durch. Doch Biggi hatte sich schon wieder neben ihn geschwungen und zupfte ihn verschwörerisch am Bart. »Hab ich doch gewusst, dass mein Bärchen kein Geizkragen ist.«
Er nickte stumm. Falls er nachher noch einen einzigen Pfennig in der Tasche haben sollte, würde er zur Zweiten Hand gehen und dort eine Anzeige aufgeben: »Schwanz dumm, aber lieb - billig zu verkaufen!«
»Hat der Herr irgendwo Anlass für ne Beschwerde?«
Franz und seine neue Freundin Biggi, der es trotz Barhocker gelungen war, sich halb auf seinen Schoß zu schieben, drehten simultan die Köpfe.
»Ach, woher denn, Freddy«, flötete sie und drückte sich noch enger an Franz heran, »du siehst doch, dass wir uns ganz schnucklig verstehen.«
Franz machte den Mund auf - und nicht mehr zu. Es kam ihm vor, als ob der Barhocker in die Knie gesackt wäre. Der Zuhälter war das Größte und Breiteste, was er seit langem gesehen hatte. Das Grässlichste und Gemeinste aber war sein angefressenes linkes Ohr.
»War echt cool, wie du der Tussi eine gelangt hast.« Mit Löffel und Gabel gleichzeitig schaufelte Isabelle Konrad den Berg Spaghetti in sich hinein, den ihr der Friedhofs-Italiener vor wenigen Sekunden hingestellt hatte.
Kyra trank von ihrem Chianti. Das Gör fraß, als ob es seit achtundvierzig Stunden nichts zu essen bekommen hätte. Schwer zu glauben, dass diese grüngefärbte Promenadenmischung die Tochter von Robert und Erika Konrad sein sollte.
»Ich hab Sie vorher bei der Beerdigung gar nicht gesehen.«
»Mann, hör doch mit dem albernen Sie auf.« Isabelle Konrad lachte. Die Spaghetti hingen ihr rechts und links zum Mund raus. »Na klar haste mich nich gesehen«, mampfte sie. »Meinste etwa, ich stell mich ans Grab von meinen Alten und lass mir von diesen Zeitungswichsern die Hand drücken?«
»Verstehe.« Kyra steckte sich eine Zigarette an. »Die vornehme
Zurückhaltung könnte nicht zufällig damit zu tun haben, dass die Polizei hinter dir her ist?«
»Wie meinstn das?« Zum ersten Mal, seitdem sie den Teller vor sich hatte, unterbrach die Konrad-Tochter ihr Fressen. Sie schaute Kyra misstrauisch an.
»Man hört Gerüchte. Dass die Polizei eine neue Lieblingsverdächtige hat.«
»Wenn du auf der Suche nach ner heißen Story bist, muss ich dich leider enttäuschen. Ich hab n wasserdichtes Alibi.« Sie begann wieder zu fressen. »Was meinste, wie sich die Bullen da schon drüber geärgert haben.«
Kyra bestellte einen zweiten Chianti. »Lebst du hier in Berlin?«
»Nö, schon lange nich mehr.« Die Grüne fieselte die Rastasträhne, auf der sie während der letzten Bissen mitherumgekaut hatte, aus dem Mund. »Das war auch mal wieder so n richtiger Scheiß. Weil, als ichs erste Mal abgehauen bin, mit sechzehn, da war mein Alter ja noch der Boss vom Magazin. Klar, dass ich da nich in Hamburg bleiben konnte, also nix wie ab nach Berlin. Na ja, und kaum hatte ichs mir hier gemütlich gemacht, SO 36, besetztes Haus und so, da ist diese blöde Mauer gefallen. Den Rest kennste ja. Dann ist das losgegangen mit diesem Hauptstadt-Scheiß und Neues Berlin und so, und da wars ja klar, dass es nicht mehr lange dauern konnte, bis mein Alter auch hier auftaucht. Der ist überall aufgetaucht, wos ne Chance gab, Mister Wichtig zu spielen.« Sie rülpste. »Und da hin ich wieder nach Hamburg zurück. Wo sollste in diesem Scheißland schon hingehen.«
»Und an dem Wochenende, an dem dein Vater ermordet wurde, warst du natürlich auch in Hamburg.«
Isabelle Konrad ließ Gabel und Löffel sinken. »Sag mal, was solln diese blöde Fragerei? Ich dachte, du wärst cool.«
Kyra grinste. »Und ich dachte, du hättest die nette Dame von der Zeitung angequatscht, weil du ihr was erzählen willst.«
»Ich hab dir doch total viel erzählt.«
»Aber nicht das Richtige.«
»Mann, geh mir nich auf die Eier.« Die Grüne warf ihr Besteck auf den Teller und schob ihn weg. »Ich brauch jetzt noch n Wein.«
»Erst, wenn du mir erzählt hast, was du von mir willst.«
»Ü-ich?« Sie klimperte mit den Wimpern, die erfreulicherweise nicht grün gefärbt waren. »Von dir? Ich hab mehr so den Eindruck, du willst was von mir.«
»Kleine, für die Alzheimer-Nummer bist du noch n bisschen jung. Du hast vorhin mich angequatscht, also was willst du.«
»Gar nix.« Sie zuckte mit den spitzen Schultern. »Nix Bestimmtes. Ich hab bloß deinen Artikel gelesen. Den du über meine Alten geschrieben hast. Und da dacht ich: Die
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