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Die Hirnkoenigin - Roman - Ausgezeichnet mit dem Deutschen Krimipreis

Titel: Die Hirnkoenigin - Roman - Ausgezeichnet mit dem Deutschen Krimipreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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mehr hören. Nichts mehr sehen. Nichts mehr denken.
    Kyra. Kyra.
    Er stieß seine Nase und Zunge tiefer in sie hinein.

    »Hey, nicht so wild. Du tust mir weh.«
    Das Ohr. Das Ohr! Er wurde den Anblick dieses Ohrs nicht los. Warum hatte er dem Kerl keine reingeschlagen. Mit beiden Fäusten hätte er ihm seine dreckige Zuhältervisage polieren sollen. Und wenn es nicht anders gegangen wäre, Gott, dann hätte er ihm wenigstens das restliche Ohr abbeißen sollen. Seine verdammten Zähne in dieses verdammte Ohr hineinhacken sollen, tiefer und tiefer, immer und immer wieder, bis es nur noch ein einziger Blutmatsch -
    »Scheiße, du Spinner, hör sofort damit auf!«
     
    Kyra knallte wütend auf die Hupe.
    »Echt cool, die Karre.« Isabelle Konrad klopfte anerkennend aufs rote Blech der Giulia.
    »Kannst du mir mal Feuer geben? Irgendwo im Handschuhfach muss noch ein Feuerzeug sein.« Kyra ließ den Zigarettenanzünder, der jegliches Zünden verweigert hatte, in die Ablage neben dem Steuerknüppel fallen. Teil Nummer dreihundertneunundzwanzig, das in diesem Wagen den Geist aufgegeben hatte.
    Isabelle Konrad beugte sich mit dem brennenden Feuerzeug weit über sie.
    »Pass doch auf, ich sitz am Steuer!«
    »Sorry. Ich habs nich so mitm Autofahren.« Die Grüne lehnte sich wieder zurück. Es gelang ihr, zehn Sekunden gar nichts zu tun, bevor sie nach dem kaputten Zigarettenanzünder griff. »Ganz schön antik, das Ding.«
    »Baujahr sechsundsechzig.« Kyra wollte allein sein.
    Der grüne Quasselfrosch sollte endlich die Klappe halten.
    »Wow. Dann ist die Karre ja fast so alt wie du.«
    »Genauso alt.« Kyra schaute angestrengt auf die Straße. Ein Opel versuchte sich von der Nachbarspur hereinzudrängen. Jemanden einspuren zu lassen war eine Schwäche,
die man sich im Berliner Straßenkampf nicht leisten konnte.
    »Nee, ehrlich? Du bist erst einunddreißig?«
    »Wichser!« Kyra schlug aufs Lenkrad und zeigte dem Opel, dem es nun doch gelungen war, sich zwischen sie und den Mercedes zu quetschen, den Mittelfinger.
    »Aber du hast dir die Karre doch nicht extra deswegen gekauft? Ich mein: wegen dem Baujahr? Mein Alter, der hatte nämlich auch so ne Macke. Ewig war der hinter irgendsonem vierundzwanziger Portwein her.«
    »Ich habe mir das Auto gar nicht gekauft. Meine Mutter hat es gekauft. - Um sich für meine Geburt zu belohnen.«
    »Cool.« Isabelle versuchte, ihre Doc-Martens-Kloben aufs Handschuhfach zu heben. Nach zwei Versuchen sah sie ein, dass mehr als Knie hochziehen bei den räumlichen Verhältnissen einer Giulia nicht drin war. »Und als du achtzehn geworden bist, hat sie das Ding dann dir überlassen? Meine Alten haben bei meiner Geburt auch jede Menge Sparbücher und so n Scheiß angelegt.«
    »Meine Mutter hat mir den Wagen überlassen, als ich sechzehn geworden bin«, sagte Kyra frostig. Die Grüne sollte aufhören, ihr den letzten Nerv zu rauben.
    »Du hattest schon mit sechzehn ne Karre? Ist dein Alter Boss vom ADAC?«
    »Ich hab keinen Alten.«
    Isabelle Konrad lachte. »Hats deine Mutter so wild getrieben, dass sie nicht wusste, von wem du bist, oder war sie eine von denen, die finden, dass n Kind besser ohne Vater groß wird?«
    Kyra warf ihre brennende Zigarette aus dem Fenster. »Letzteres.«
    »Und wieso hat sie dir die Kiste zum sechzehnten geschenkt? Fand sie das auch cool?«
    »Sie ist gestorben.«
    »Oh.« Die Grüne schaute Kyra mit großen Augen an.
»Deshalb hattest du vorhin keinen Bock, über deine Mutter zu reden.«
    Kleine Flaute im Dialog, angefüllt mit Berliner Straßenlärm.
    »Mann, das ist ja echt mal n Zufall«, fing Isabelle Konrad wieder an. »Da latschen wir uns über den Weg und sind beide arme Waisenkinder.«
    Kyra brummte etwas, das sich gegen den Krach von draußen nicht durchsetzen konnte.
    »Wie isses denn bei dir passiert? Ich mein: Wie ist deine Mutter gestorben?«
    Kyra gab Gas, um eine Ampel noch im ersten Rot zu erwischen. »Ist es okay, wenn ich dich da vorn an der Ecke rauslasse?«
    »Hab ich jetzt was Falsches gesagt?« Isabelle Konrad schaute Kyra verwirrt an.
    »Ich hab nur auf die Uhr geguckt. Und mir ist eingefallen, dass ich noch was erledigen muss.«
    »Ach so. Ja. Immer im Einsatz.« Die Grüne blinzelte zum Fenster raus. »Wo sind wir denn hier?«
    »Da vorn kommt die Clayallee.«
    »Clayallee ist okay, da kann ich zum Wildpfad ja fast laufen.«
    »Du wohnst im Haus vom deinen Eltern?« Kyras Augenbrauen rutschten nach oben.
    »Na klar.« Isabelle grinste.

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