Die Hirnkoenigin - Roman - Ausgezeichnet mit dem Deutschen Krimipreis
Sie mir jetzt bitte zeigen, wo Ihre Eltern die Fotos aufbewahrt haben?«
Isabelle Konrad zuckte die Achseln. »Ich hab den ganzen Scheiß aus den Regalen schon in Kisten gepackt. Morgen früh kommen die Typen vom Antiquariat und holen alles ab.«
Antiquariat, durchzuckte es Törner. Antiquariat. Bibliothek.
Isabelle Konrad schaute ihn misstrauisch an. »Wasn los? Was dagegen, wenn ich den Scheiß verkaufe?«
»Nein. Nein. Natürlich nicht.« Er lächelte harmlos. Harmlos sein jetzt. Ganz beiläufig. »An welches Antiquariat wollen Sie die Sachen denn verkaufen?«
»Keine Ahnung mehr, wie die heißen. Wieso? Haben Sie n guten Tipp für mich?«
Lächle, Bulle. Lächle, Bulle. »Ach, ich kenne mich nur ein bisschen aus mit den Berliner Antiquariaten. Man muss ziemlich aufpassen. Es gibt da eine Menge Betrüger.«
»Das glaub ich Ihnen aufs Wort.« Isabelle Konrad gab ihm sein falsches Lächeln mit Zinsen zurück. »Wenn ich den Eindruck hab, dass mit denen irgendwas nicht stimmt, werd ich Sie sofort anrufen.« Sie zeigte mit dem Daumen über die Schulter. »Also, die Kisten stehen da hinten. Im Wohnzimmer.«
Törner schaute sie noch einmal an. »Sind Sie wirklich sicher, dass Sie die Fotoalben Ihrer Eltern in die Kisten fürs Antiquariat gepackt haben?«
»Glauben Sie, ich mach mir was aus so nem Sentimentalkram? Soll doch n andrer unsere Family-Fotos als Wichsvorlage benutzen«, antwortete sie und griff nach dem Treppengeländer. »Ich geh dann mal hoch. Da oben ist noch ne Menge Zeug, das ich zusammenpacken muss.«
»Was fällt dir zum Thema Enthauptung ein?«
»Ich esse.«
»Das glaube ich nicht. Ich glaube nicht, dass sie die Köpfe mitnimmt, um sie zu essen.« Nachdenklich nippte Kyra
an ihrem Bier. »Warum bringt sie die Männer nicht einfach um? Warum köpft sie sie?« Sie warf Franz, der mit wachsender Verzweiflung an seinem Schnitzel säbelte, einen langen Blick zu. »Jetzt erzähl mir nix von wegen symbolischer Kastration. Wenn sie die Männer kastrieren wollte, würde sie sie kastrieren.«
»Ich habe doch gar nichts gesagt.«
»An der Art, wie du da an deinem Fleisch rummurkst, konnte ich erkennen, was du gleich sagen wolltest.«
»Alle Achtung.« Franz winkte der Kellnerin nach einem neuen Bier. Nummer vier. »Vielleicht stammt sie in direkter Linie von Salome ab.«
»Salome hat nicht selber geköpft. Salome hat köpfen lassen.« Kyra gab vorsichtshalber auch gleich das nächste Jever in Auftrag. »Obwohl. Vielleicht ist das gar keine so schlechte Idee. Sie köpft die Männer nicht selbst, sondern hat dafür irgendeinen Kerl, der ihr den Kopf dann auf dem Silbertablett nach Hause bringt.« Sie schaute Franz an. »Würdest du mir einen Kopf auf dem Silbertablett bringen?«
»Nichts lieber als das. Sag nur, welchen.«
Kyra legte die Stirn in Falten. »Aber was soll eine mit hässlichen alten Männerköppen anfangen?«
»Liebe Kyra, du wirst es nicht für möglich halten.« Franz schob den Teller weg und wischte sich über den Bart. »Es gibt Frauen, auf die üben männliche Charakterköpfe eine starke erotische Anziehungskraft aus.«
»Das kann auch nur ein Mann glauben.« Kyra schüttelte sich. »Diese Schrumpfköpfe als Sextoys - ich bitte dich! Überhaupt. Diese ganze Salome taugt doch nur als verschärfter Männerporno. Eine Frau selbst würde sich so was nie einfallen lassen. Die Lustmörderin ist genauso eine Männerphantasie wie der Lustmörder. Nur dass Ted Bundy die Sados bedient, während Salome mehr für die Masos ist. Frauen killen nicht aus Lust.«
»Und warum nicht?«
»Weil ihnen Sex viel zu unwichtig ist. Oder fällt dir außer diesen Männerhirnen entsprungenen Salomes und Basic Instincts irgendeine Frau ein, die wirklich einen Mann umgebracht hat, weil sie geil auf ihn war?«
Kyra ließ Franz dreißig Sekunden nachdenken. »Eben«, sagte sie und griff nach ihrem Glas.
»Aber das ist ja enttäuschend. Absolut enttäuschend, dass es Frauen keinen Spaß macht, Männer umzubringen.« Franz sah ernsthaft deprimiert aus.
»Tja. Tut mir Leid, wenn ich deine Hoffnung, eines Tages dein Leben zwischen Sharon Stones Schenkeln auszuhauchen, zunichte gemacht habe.« Kyra trank den letzten Schluck Bier und rückte das leere Glas an die Tischkante. »Ich glaub ja eher, dass sie es mit Judith hat. Das Einzige, was ich dabei noch nicht verstehe, ist, wieso sie uns nicht erklärt, was sie mit ihren Morden will. Als Judith damals Holofernes geköpft hat, hat jeder sofort
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