Die historischen Romane
Mumifizierer tierischer Pharaonen ins Gesicht, betrachtete seine buschigen Augenbrauen, seine grauen Wangen und versuchte herauszufinden, ob er ein lebendes Wesen war oder ein Meisterwerk seiner eigenen Kunst.
Um ihn besser betrachten zu können, trat ich ein paar Schritte zurück, und plötzlich spürte ich, wie mich etwas im Nacken berührte. Ich fuhr erschrocken herum und sah, dass ich ein Pendel in Bewegung gesetzt hatte.
Ein großer ausgeweideter Vogel stak pendelnd am Ende der Lanze, die ihn durchbohrte. Sie ging durch den Kopf hinein, und in der offenen Brust sah man, dass sie genau dort hindurchging, wo einst das Herz und der Magen gewesen waren, um sich dann aufzuspalten und als umgekehrter Dreizack fortzusetzen. Der etwas dickere mittlere Zacken durchquerte die Stelle, wo der Vogel die Eingeweide gehabt hatte, und zielte wie ein Schwert nach unten, die beiden seitlichen Spieße bohrten sich längs durch die Beine und kamen symmetrisch an den Krallen heraus. Der Vogel schwankte leicht, und die drei Zacken warfen ihren Schatten auf den Boden, wo er wie ein mystisches Zeichen erschien.
»Schönes Exemplar eines Königsadlers«, sagte Salon. »Aber ich muss noch ein paar Tage daran arbeiten. Ich war gerade dabei, die Augen auszuwählen.« Er zeigte mir eine Pappschachtel voller Glasaugen, die aussah, als hätte der Folterknecht der heiligen Lucia die schönsten Trophäen seiner ganzen Karriere darin gesammelt. »Das ist nicht immer so leicht wie bei den Insekten, für die man bloß eine Nadel und eine Schachtel braucht. Die wirbellosen Tiere zum Beispiel, die müssen mit Formalin behandelt werden.«
Es roch tatsächlich nach Leichenschauhaus. »Muss eine faszinierende Arbeit sein«, sagte ich. Und dachte dabei an das lebende Ding, das in Lias Bauch heranwuchs. Ein eisiger Gedanke überfiel mich: Wenn es stürbe, sagte ich mir, will ich es selbst begraben, so dass es alle Würmer unter der Erde ernährt und die Erde fett macht. Nur so würde ich es noch als lebendig empfinden ...
Mich schauderte, aber ich riss mich zusammen, denn Salon sprach weiter, während er ein seltsames Wesen aus einem seiner Regale holte. Es mochte etwa dreißig Zentimeter lang sein und war eine Art Drache, ein Reptil mit großen schwarzen, geäderten Flügeln, einem Hahnenkamm und einem weit aufgerissenen Maul voll winziger Sägezähne. »Schön, nicht wahr? Eine Komposition von mir. Ich habe dafür einen Salamander, eine Fledermaus und die Haut einer Schlange benutzt ... Ein Drache der Unterwelt. Inspiriert habe ich mich hieran.« Er zeigte mir auf einem anderen Tisch ein dickes, großformatiges Buch mit kostbarem Pergamenteinband und ledernen Laschen. »Das hat mich ein kleines Vermögen gekostet. Ich bin kein Bibliophile, aber diesen Band wollte ich unbedingt haben. Es ist der Mundus Subterraneus von Athanasius Kircher, erste Auflage von 1665. Hier der Drache. Sieht doch genauso aus wie meiner, nicht wahr? Er lebt in den Schluchten der Vulkane, sagte der gute Jesuit, der alles wusste, alles Bekannte, alles Unbekannte und alles Inexistente ... «
»Sie denken wohl immerzu an die Unterwelt«, sagte ich in Erinnerung an unser Gespräch in München und an die Sätze, die ich durch das Ohr des Dionysios aufgeschnappt hatte.
Er schlug eine andere Seite des Bandes auf: ein Bild der Erdkugel, die aussah wie ein geblähtes schwarzes Leibesorgan, durchzogen von einem Netzwerk leuchtender Adern, in Serpentinen und flammend. »Wenn Athanasius Kircher recht hatte, gibt es mehr Pfade im Innern der Erde als draußen auf ihrer Oberfläche. Wann immer etwas in der Natur geschieht, kommt es aus der glühenden Hitze dort unten ... « Ich dachte an das Schwarze Werk, an Lias Bauch, an das Kleine Ding, das da auszubrechen versuchte aus seinem sanften Vulkan.
» ... und wann immer etwas in der Menschenwelt geschieht, ist es dort unten ersonnen worden.«
»Sagt das Pater Kircher?«
»Nein, er befasste sich bloß mit der Natur ... Aber es ist sehr bemerkenswert, dass der zweite Teil dieses seines Buches von der Alchimie und den Alchimisten handelt und dass sich genau hier, sehen Sie, ein Angriff auf die Rosenkreuzer findet. Warum werden die Rosenkreuzer in einem Buch über die unterirdische Welt angegriffen? Nun, weil unser Jesuit es faustdick hinter den Ohren hatte, er wusste, dass die letzten Templer sich in das unterirdische Reich von Agarttha geflüchtet hatten ... «
» ... und anscheinend immer noch dort sind«, warf ich aufs Geratewohl
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