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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Gelegenheit angewöhnen wollen.«
    »Also was mache ich dann?«
    »Du beteiligst dich vorher und nachher. Nachher, wenn es ein Junge ist, erziehst du ihn, bildest ihn, verschaffst ihm einen schönen Ödipus, wie sich's gehört, stellst dich dem rituellen Vatermord, wenn der Moment gekommen ist, lächelnd und ohne Geschichten zu machen, und dann zeigst du ihm eines Tages dein miserables Büro, die Karteikästen, die Druckfahnen der wunderbaren Geschichte der Metalle und sagst, mein Sohn, dies alles wird eines Tages dir gehören.«
    »Und wenn es ein Mädchen ist?«
    »Dann sagst du, meine Tochter, dies alles wird eines Tages deinem Nichtsnutz von Gatten gehören.«
    »Und vorher?«
    »Wenn die Wehen kommen, vergeht dazwischen immer eine gewisse Zeit, die man zählen muss, denn je kürzer die Zeit zwischen den Wehen wird, desto näher kommt der Moment. Wir werden zusammen zählen, und du wirst mir den Takt geben, wie beim Rudern auf den Galeeren. Es wird so sein, als ob auch du unser Kleines Ding langsam aus seiner warmen dunklen Höhle herausholst. Das Arme ... Fühlst du's, jetzt geht's ihm so gut da im Dunkeln, es süffelt genüsslich Säfte wie eine Zecke, alles gratis, und dann plötzlich, peng, kommt es rausgeschossen ans Sonnenlicht, blinzelt und sagt, Teufel, wo bin ich da hingeraten?«
    »Das arme Ding. Und dabei kennt es noch gar nicht den Signor Garamond. Komm, probieren wir mal zu zählen.«
    Wir zählten im Dunkeln und hielten uns an den Händen. Ich phantasierte. Das Kleine Ding da in Lias Bauch, das war etwas Wahres, Echtes, das durch seine Geburt allem Unsinn der Diaboliker Sinn geben würde. Arme Diaboliker, die ihre Nächte damit verbrachten, sich chymische Hochzeiten auszudenken und sich zu fragen, ob am Ende wirklich achtzehnkarätiges Gold herauskommen würde und ob der Stein der Weisen der lapis exillis wäre, ein kläglicher Gral aus Steingut – während mein Gral hier in Lias Bauch war.
    »Ja«, sagte Lia und strich sich über die straffe Wölbung des Bauches, »in diesem Gefäß hier vergärt deine gute Prima Materia . Was dachten denn diese Leute, die du in dem Schloss gesehen hast damals, was in dem Gefäß passiert?«
    »Och, die dachten, da grummelt die Melancholie, da brodelt die Schwefelerde, das schwarze Blei, das Saturnische Öl, da blubbert ein Styx aus Aufweichungen, Sättigungen, Durchtränkungen, Verflüssigungen, Vermischungen, Versenkungen, fauliger Erde, stinkigen Leichen ... «
    »Igitt, was waren das denn für Leute? Waren die impotent? Wussten die nicht, dass in dem Gefäß unser Kleines heranwächst, ein rundum blankes, schönes, rosiges Ding?«
    »Sicher wussten sie das, aber für die ist auch dein Bauch eine Metapher voller Geheimnisse ... «
    »Da sind aber keine Geheimnisse, Pim. Wir wissen sehr gut, wie sich das Kleine da bildet, mit seinen Nervchen und Müskelchen und Öhrchen und Milzchen und Bauchspeicheldrüselchen ... «
    »Heiliger Himmel, wie viele Milzen soll es denn haben? Ist es etwa Rosemarys Baby?«
    »Na, wird schon nicht so schlimm kommen. Aber wir müssen bereit sein, es so zu nehmen, wie's kommt, auch wenn es zwei Köpfe hat.«
    »Warum nicht? Dann würde ich ihm beibringen, Duette zu spielen, für Trompete und Klarinette ... Nein, dazu bräuchte es auch vier Hände, und das wäre denn doch zu viel – obwohl, denk bloß mal, was für ein Klaviervirtuose es dann werden könnte, von wegen Konzert für die linke Hand. Brr ... Und übrigens, das wissen auch meine Diaboliker, an jenem Tag in der Klinik kommt es dann auch zum Weißen Werk, es wird der Rebis geboren, der androgyne Hermaphrodit ... «
    »Na, der hat uns gerade noch gefehlt. Hör zu, jetzt mal im Ernst: Wir werden es Giulio oder Giulia nennen, nach meinem Großvater. Ist dir das recht?«
    »Warum nicht, klingt gut.«
     
    Es hätte genügt, wenn ich bis hierher und nicht weiter gegangen wäre. Wenn ich ein Weißbuch geschrieben hätte, ein gutes Zauberbuch für alle Adepten der Entschleierten Isis, um ihnen zu erklären, dass es nicht länger nötig war, nach dem Mysterium der Mysterien zu suchen, dass die Lektüre des Lebens keinen geheimen Sinn verbarg, dass alles schon da war, in den Bäuchen aller Lias der Welt, in den Geburtsstationen der Kliniken, auf den Strohlagern, in den Kiesbetten der Flüsse, dass die Steine aus dem Exil und der Heilige Gral nichts anderes sind als schreiende Äffchen mit herunterhängender Nabelschnur, denen der Onkel Doktor einen Klaps auf den Po gibt. Und dass die

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