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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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weiter zu. Giulio-Giulia, mein Rebis, war wie Luzifer ins Zentrum von Lias Bauch gepflanzt, aber Er-Sie-Es würde sich umdrehen, würde sich zum Licht wenden und irgendwie rauskommen. Unser Ding war gemacht, um aus den dunklen Innereien herauszukommen und sich in seinem klaren Geheimnis zu enthüllen, nicht um kopfüber in sie hineinzustürzen und sich ein klebriges Geheimnis zu suchen.
    Salon sprach weiter, verlor sich in einen Monolog, den er auswendig zu rezitieren schien: »Wissen Sie, was die englischen leys sind? Fliegen Sie mal im Flugzeug über England, und Sie werden sehen, dass alle heiligen Orte durch gerade Linien miteinander verbunden sind, ein Netz von Linien, die sich über das ganze Land hinziehen und die heute noch sichtbar sind, weil sie den Verlauf der künftigen Straßen angezeigt haben ... «
    »Wenn es heilige Orte waren, waren sie durch Straßen miteinander verbunden, und die Straßen wird man so gerade wie möglich gebaut haben ... «
    »Ach ja? Und warum halten sich dann auch die Zugvögel an diese Linien? Und warum markieren sie die Flugstrecken der Fliegenden Untertassen? Ich sage Ihnen, dahinter steckt ein Geheimnis, das nach der römischen Invasion verlorengegangen ist, aber es gibt noch Leute, die es kennen ... «
    »Die Juden«, suggerierte ich.
    »Die graben auch. Das erste Prinzip der Alchimisten heißt VITRIOL: Visita Interiora Terrae, Rectificando Inverties Occultum Lapidem .«
    Lapis exillis. Mein Stein, der langsam herauskam aus dem Exil, aus seinem süßen, gedankenlosen, hypnotischen Exil in Lias geräumigem Bauch, ohne nach anderen Tiefen zu suchen, mein schöner weißer Stein, der an die Oberfläche will ... Ich wollte so schnell wie möglich nach Hause zu Lia, um mit ihr auf das Kleine zu warten, auf sein Erscheinen, Stunde um Stunde, auf den Triumph der wiedergewonnenen Oberfläche. In Salons dämmriger Höhle herrschte der Modergeruch des Untergrunds, der Untergrund ist der Ursprung, den es zu verlassen gilt, nicht das Ziel, das es zu erreichen gilt. Und doch folgte ich Salon, und mir wirbelten neue bösartige Ideen für den Großen Plan durch den Kopf. Während ich die einzige Wahrheit dieser irdischen Welt erwartete, verbohrte ich mich in die Konstruktion neuer Lügen. Blind wie die Tiere im Erdinnern.
    Ich schüttelte mich. Ich musste raus aus dem Tunnel. »Ich muss gehen«, sagte ich. »Vielleicht können Sie mir Bücher zum Thema empfehlen.«
    »Bah, alles, was man zu dem Thema geschrieben hat, ist falsch und erlogen, falsch wie die Seele des Judas. Was ich weiß, habe ich von meinem Vater gelernt ... «
    »War er Geologe?«
    »O nein«, lachte Salon, »nein, wirklich nicht. Mein Vater war – kein Grund, sich zu schämen, das ist lange her –, mein Vater war bei der Ochrana. Direkt dem Chef unterstellt, dem legendären Ratschkowski.«
    Ochrana, Ochrana – war das nicht so was wie der KGB, war das nicht die Geheimpolizei des Zaren? Und Ratschkowski, wer war das noch gleich? Wer hatte einen ganz ähnlichen Namen? Herrgott ja, der mysteriöse Besucher des Oberst Ardenti, der Graf Rakosky ... Nein, Quatsch, ich ließ mich von Zufallen überraschen. Ich stopfte nicht tote Tiere aus, ich zeugte lebende Wesen.

 
    80
     
    Les Philosophes disent que lorsque la blancheur
    survient à la matière du grand oeuvre, la vie a
    vaincu la mort, que leur Roi est ressuscité, que la
    terre & l'eau sont devenues air, que c'est le régime
    de la Lune, que leur enfant est né ... La matiere a
    pour lors acquis un degré de fixité que le feu ne
    sauroit détruire ... & lorsque l'Artiste voit la
    parfaite blancheur , les Philosophes disent qu'il faut
    déchirer les livres, parce qu'ils deviennent inutiles.
     
    Dom J. Pernety, Dictionnaire mytho-hermétique ,
    Paris, Bauche, 1758, »Blancheur«
     
    Ich stammelte hastig eine Entschuldigung, ich glaube, ich sagte so etwas wie: »Meine Freundin kriegt morgen ein Kind.« Salon wünschte mir viel Glück mit einer Miene, als wäre ihm nicht ganz klar, wer der Vater war. Ich rannte nach Hause, um frische Luft zu atmen.
    Lia war nicht da. Auf dem Küchentisch lag ein Zettel: »Liebster, es ist ganz plötzlich so weit. Du warst nicht im Büro. Ich nehm ein Taxi in die Klinik. Komm nach, ich fühle mich einsam.«
    Panik überfiel mich, ich musste bei Lia sein, um mit ihr zu zählen, ich hätte im Büro sein müssen, ich hätte für sie erreichbar sein müssen. Alles war meine Schuld, das Kleine würde tot geboren werden, Lia würde mit ihm

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