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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Reich nicht von dieser Welt sei, und nehmen sich alles, was sie nur raffen können. Die Zivilisation wird nicht vollendet sein, solange nicht der letzte Stein der letzten Kirche den letzten Priester erschlagen hat und die Erde frei ist von diesem Gezücht.
    Die Kommunisten haben den Gedanken verbreitet, dass die Religion das Opium des Volkes sei. Das stimmt, denn sie dient dazu, die Versuchungen der Untertanen zu zügeln, und wenn es die Religion nicht gäbe, wären doppelt so viele Menschen auf den Barrikaden, während es in den Tagen der Kommune zu wenige waren, so dass man sie ohne viel Mühe erledigen konnte. Aber nachdem ich diesen österreichischen Doktor über die Vorteile der kolumbianischen Droge habe reden hören, würde ich sagen, dass die Religion auch das Kokain der Völker ist, denn sie treibt die Völker seit jeher zu Kriegen und Massakern an Ungläubigen, und das gilt für Christen, Muselmänner und andere Götzenanbeter, und während die Neger in Afrika sich damit begnügten, einander gegenseitig zu massakrieren, haben die Missionare sie bekehrt und zu Kolonialsoldaten gemacht, die bestens geeignet sind, an vorderster Front zu sterben und die weißen Frauen zu vergewaltigen, wenn sie in eine Stadt kommen. Die Menschen tun das Böse nie so vollständig und begeistert, wie wenn sie es aus religiöser Überzeugung tun.
     
    Am schlimmsten von allen sind sicher die Jesuiten. Ich habe irgendwie das Gefühl, ihnen ein paar Streiche gespielt zu haben, oder vielleicht waren sie es, die mir etwas angetan haben, ich erinnere mich nicht mehr genau. Vielleicht waren es auch ihre leiblichen Brüder, die Freimaurer. Die Freimaurer sind wie die Jesuiten, nur ein bisschen konfuser. Diese haben wenigstens eine eigene Theologie und wissen sie zu gebrauchen, jene haben zu viele davon und verlieren leicht die Übersicht. Von den Freimaurern hat mir mein Großvater erzählt. Zusammen mit den Juden haben sie dem französischen König den Kopf abgeschlagen. Und in Italien haben sie die Carbonari hervorgebracht, die ein bisschen dümmere Freimaurer waren, denn mal ließen sie sich füsilieren und mal ließen sie sich enthaupten, weil sie es nicht geschafft hatten, eine funktionierende Bombe zu bauen, oder sie wurden zu Sozialisten, Kommunisten und Kommunarden. Alle an die Wand. Gut gemacht, Monsieur Thiers!
    Freimaurer und Jesuiten. Die Jesuiten sind Freimaurer in Frauenkleidern.
     
     
     
    Ich hasse die Frauen, nach dem wenigen, was ich von ihnen weiß. Jahrelang haben mich jene brasseries à femmes umgetrieben, in denen sich Übeltäter aller Arten und Sparten versammeln. Schlimmer als die Freudenhäuser. Die haben wenigstens noch Schwierigkeiten, sich zu etablieren, weil die Nachbarn dagegen sind, während diese Bierlokale überall eröffnet werden können, da sie ja, wie es heißt, nur eben Lokale zum Biertrinken seien. Aber getrunken wird dort nur im Erdgeschoss, und in den oberen Stockwerken wird Hurerei getrieben. Jedes dieser Lokale hat ein Thema, und die Kostüme der Mädchen richten sich danach, hier findet man deutsche Kellnerinnen, dort vor dem Justizpalast Serviererinnen in Advokatenrobe. Im übrigen genügen bereits die Namen, wie Brasserie du Tire-cul , Brasserie des belles marocaines oder Brasserie des quatorze fesses , unweit der Sorbonne. Fast alle werden von Deutschen betrieben – auch eine Art, die französische Moral zu untergraben. Allein zwischen dem fünften und sechsten Arrondissement gibt es mindestens sechzig solche Lokale, in ganz Paris sind es fast zweihundert, und alle sind auch für Jugendliche offen. Erst kommen die Jungs aus Neugier, dann aus Lüsternheit, und am Ende holen sie sich einen Tripper – wenn’s gut geht. Befindet sich das Lokal in der Nähe einer Schule, gehen die Schüler nach dem Unterricht hin, um durch die Tür nach den Mädchen zu linsen. Ich gehe hin, um zu trinken. Und um von innen durch die Tür nach den Schülern zu linsen, die von außen hereinlinsen. Und nicht nur nach den Schülern. Man lernt viel über die Gewohnheiten und Frequentationen der Erwachsenen, was immer nützlich sein kann.
    Am meisten amüsiert mich, die Natur der verschiedenen wartenden Zuhälter an den Tischen zu erkennen. Einige von ihnen sind Ehemänner, die von den Reizen ihrer Frauen leben, und die sitzen gut gekleidet, rauchend und kartenspielend zusammen, und der Wirt oder die Bedienungen sprechen von ihnen als vom Tisch der Gehörnten. Aber im Quartier Latin gibt es auch viele gescheiterte

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