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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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auch Vorfreude genießen, so wie ich es tat, als ich mich wohlig im Bett räkelte. Die Dummen brauchen eine Frau neben sich unter der Decke, oder einen Knaben, um sich nicht so allein zu fühlen. Sie ahnen nicht, dass das Wasser, das einem im Munde zusammenläuft, viel besser ist als eine Erektion.
    Ich hatte alles im Hause, bis auf den Gruyère und das Fleisch. Für das Fleisch gab es an anderen Tagen den Metzger an der Place Maubert, aber der hat, aus welchen Gründen auch immer, am Dienstag geschlossen. Ich kannte jedoch einen anderen, zweihundert Meter weiter am Boulevard Saint-Germain, und ein kleiner Spaziergang würde mir sicher nicht schaden. So zog ich mich an, und bevor ich hinausging, klebte ich mir vor dem Spiegel über der Waschschüssel den gewohnten schwarzen Schnauzer und meinen schönen Kinnbart an. Dann setzte ich mir die Perücke auf und kämmte sie säuberlich zu einem Mittelscheitel, nicht ohne den Kamm leicht anzufeuchten. Ich schlüpfte in den Gehrock und steckte mir die silberne Uhr mit ihrer gut sichtbaren Kette in die Westentasche. Um wie ein pensionierter Hauptmann zu erscheinen, spiele ich gern beim Reden mit einer kleinen Schildpattdose voll rautenförmiger Lakritzebonbons, deren Deckel auf der Innenseite das Porträt einer hässlichen, aber gut gekleideten Frau erkennen lässt, sicher einer teuren Verstorbenen. Ab und zu stecke ich mir ein Bonbon in den Mund und schiebe es mit der Zunge von einer Seite zur anderen, was mir erlaubt, langsamer zu sprechen – und dann folgt der Zuhörer den Bewegungen meiner Lippen und achtet nicht so genau auf das, was ich sage. Das Problem ist, den Eindruck von jemandem zu erwecken, der mit einer weniger als mediokren Intelligenz begabt ist.
     
    Ich ging auf die Straße hinaus und bog vorn um die Ecke, bemüht, nicht vor dem Bierlokal stehenzubleiben, aus dem schon am frühen Morgen das schrille Gekeife seiner liederlichen Weiber ertönte.
    Die Place Maubert ist nicht mehr jene Cours des Miracles , die sie war, als ich vor fünfunddreißig Jahren hier ankam. Damals wimmelte sie von zwielichtigen Gestalten – von fliegenden Händlern, die wiederaufbereiteten Tabak anboten, groben aus Zigarrenstummeln und Pfeifenböden, feinen aus Zigarettenkippen, den groben für einen Franc zwanzig das Pfund, den feinen für einen Franc fünfzig bis fünfundsiebzig (wobei dieses Geschäft nicht viel einbringen konnte, da keiner dieser fleißigen Kippensammler, wenn er einen größeren Teil seiner Tageseinnahmen in einer Kneipe gelassen hatte, dann wusste, wo er in der Nacht schlafen sollte); von Zuhältern, die, nachdem sie sich bis mindestens mittags im Bett geräkelt hatten, den Rest des Tages rauchend an eine Mauer gelehnt verbrachten wie gutsituierte Pensionäre, um dann bei Einbruch der Dämmerung in Aktion zu treten wie Hirtenhunde; von Dieben, die sich gezwungen sahen, einander gegenseitig zu beklauen, da kein guter Bürger (außer ein paar Nichtstuern vom Lande) es gewagt hätte, diesen Platz zu überqueren – auch ich wäre eine gute Beute gewesen, hätte ich nicht einen militärisch strammen Gang vorgelegt und dazu meinen Stock geschwungen, außerdem kennen mich die örtlichen Taschendiebe, einige grüßen mich sogar und nennen mich Capitaine , sie denken wohl, dass ich irgendwie zu ihrer Unterwelt gehöre, und eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus –, sowie von Prostituierten mit verwelkten Reizen, denn wenn sie noch reizvoll gewesen wären, hätten sie ihren Beruf in den brasseries à femmes ausgeübt, aber sie boten sich nur noch den Lumpensammlern, den Gaunern und den stinkenden Tabakhändlern an – doch wenn ein gutgekleideter Herr mit Gehstock und steifem Zylinder daherkam, konnten sie es wagen, ihn zu berühren oder gar am Arm zu packen, und dabei kamen sie einem so nahe, dass man diesen schrecklichen Geruch ihrer Armut wahrnahm, der sich mit ihrem Schweißgeruch mischte, und das wäre eine allzu unangenehme Erfahrung gewesen (davon wollte ich nachts nicht träumen), und so schwang ich, wenn ich eine von ihnen näherkommen sah, meinen Stock heftig im Kreise, wie um mir einen unzugänglichen Schutzraum zu schaffen, was sie sofort verstanden, denn sie waren es gewohnt, herumkommandiert zu werden, und vor einem Stock hatten sie Respekt.
    Und schließlich trieben sich in dieser Menge auch die Spitzel der Polizei herum, die hier ihre mouchards oder Zuträger rekrutierten oder wertvolle Informationen über geplante Streiche aufschnappten, wenn

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