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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Ex-Studenten, die immer fürchten, dass jemand ihnen ihre Einnahmequelle wegschnappt, und die ziehen oft das Messer. Am ruhigsten sind die Diebe und Mörder, sie kommen und gehen, weil sie sich um ihre Diebes- und Mördergeschäfte kümmern müssen, und sie wissen, dass die Mädchen sie nicht verraten werden, weil sie sonst am nächsten Tag in der Bièvre treiben würden.
    Es gibt auch Perverse, die sich damit beschäftigen, verdorbene junge Männer oder gar Frauen für schmutzigere Dienste zu gewinnen. Sie suchen sich ihre Kunden am Palais-Royal oder auf den Champs-Élysées und locken sie mit konventionellen Angeboten. Im Zimmer lassen sie dann ihre Komplizen als Polizisten verkleidet eindringen, diese drohen dem Kunden in Unterhose, ihn zu verhaften, er bettelt um Gnade und zückt ein Bündel Scheine.
    Wenn ich diese Lokale betrete, verhalte ich mich vorsichtig, denn ich weiß, was mir passieren könnte. Sieht ein Kunde wohlhabend aus, macht der Wirt ein Zeichen, eines der Mädchen nähert sich ihm und bringt ihn dazu, nach und nach alle anderen an seinen Tisch einzuladen und teure Getränke für sie zu bestellen (aber in Wahrheit trinken sie, um nüchtern zu bleiben, anisette superfine oder cassis fin , farbiges Wasser, für das der Kunde einen hohen Preis bezahlt). Dann versuchen sie, ihn zum Kartenspiel zu überreden, und natürlich geben sie einander Zeichen, so dass er verliert und das Essen für alle bezahlen muss, auch für den Wirt und dessen Frau. Und wenn er aufhören möchte, schlagen sie vor, von nun an nicht mehr um Geld zu spielen, sondern so, dass bei jeder Runde, die er gewinnt, eines der Mädchen sich etwas ausziehen muss… Und bei jedem Dessous, das fällt, kommt etwas von diesem ekligen weißen Fleisch zum Vorschein, von diesen schwellenden Brüsten, diesen dunklen Achselhöhlen mit ihrem säuerlichen Geruch, der mich entnervt…
    In den Oberstock bin ich nie gegangen. Jemand hat gesagt, Frauen seien bloß ein Ersatz für das einsame Laster, das lediglich mehr Phantasie verlange. Also kehre ich nach Hause zurück und träume nachts von ihnen, ich bin ja nicht aus Stein, und schließlich sind sie es, die mich provoziert haben.
    Ja, ja, ich habe den Doktor Tissot gelesen, ich weiß, dass sie auch von weitem Schaden anrichten. Wir wissen nicht, ob die animalischen Säfte und die Genitalflüssigkeit dasselbe sind, aber bestimmt haben diese beiden Liquide eine gewisse Ähnlichkeit, und nach langen nächtlichen Ergüssen schwinden einem nicht nur die Kräfte, sondern der Leib magert ab, das Gesicht wird blass, das Gedächtnis lässt nach, die Sicht verschwimmt, die Stimme wird rauh, der Schlaf wird von unruhigen Träumen geplagt, man bekommt Augenschmerzen und rote Flecken im Gesicht, manche spucken kalkweißes Zeug, bekommen Herzklopfen, Erstickungs- und Ohnmachtsanfälle, andere klagen über Verstopfung oder immer dünneren Durchfall. Und schließlich erblindet man.
    Vielleicht sind das ja Übertreibungen, als Bub hatte ich das Gesicht voller Pusteln, aber das war wohl typisch für mein Alter, vielleicht bereiten sich alle Jungen dieses Vergnügen und manche so ausgiebig, dass sie sich Tag und Nacht unzüchtig berühren. Heute jedenfalls kann ich es mir dosieren, mein Schlaf ist nur unruhig, wenn ich in einem Bierlokal war, und es geht mir nicht so wie vielen anderen, dass ich Erektionen hätte, sobald ich nur einen Rock auf der Straße sehe. Die Arbeit hält mich vom Sittenverfall ab.
     
    Aber warum philosophiere ich hier, statt die Ereignisse zu rekonstruieren? Vielleicht weil ich nicht nur wissen muss, was ich bis gestern getan habe, sondern auch, wie ich im Innern bin. Vorausgesetzt, dass ich ein Inneres habe. Manche behaupten, die Seele sei nur das, was man tut, aber wenn ich jemanden hasse und dieses Gefühl kultiviere, bei Gott, dann heißt das doch wohl, dass es ein Inneres gibt! Wie sagte der Philosoph? Odi ergo sum .
     
    Vor kurzem hat es unten geklingelt, ich fürchtete schon, da sei so ein Dummkopf, der etwas kaufen wolle, aber der Betreffende sagte, Tissot habe ihn geschickt – wieso habe ich ausgerechnet dieses Erkennungswort gewählt? Er wollte ein eigenhändiges Testament, unterzeichnet von einem gewissen Bonnefoy zugunsten eines gewissen Guillot (der wohl er selber war). Er hatte das Briefpapier mitgebracht, das Bonnefoy zu benutzen pflegt oder pflegte, sowie eine Probe seiner Handschrift. Ich ließ ihn ins Studio hinauf, wählte die passende Feder und Tinte und fabrizierte das

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