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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Dokument aus dem Stand, ohne auch nur geübt zu haben. Perfekt. Als hätte der Mann die Tarife gekannt, zahlte er mir ein der Hinterlassenschaft angemessenes Honorar.
    Ist dies also mein Metier? Eine schöne Tätigkeit, aus dem Nichts einen notariellen Akt zu erzeugen, einen echt aussehenden Brief zu verfassen, ein kompromittierendes Geständnis zu formulieren, ein Dokument zu erschaffen, das jemanden ins Verderben stürzen wird. Die Macht der Kunst… Darauf gönne ich mir einen Besuch im Café Anglais.
    Ich muss ein Nasengedächtnis haben, aber mir ist, als hätte ich seit Jahrhunderten nicht mehr den Geruch dieses Menus genossen: soufflés à la reine , filets de sole à la Vénitienne , escalopes de turbot au gratin , selle de mouton purée bretonne … Und als Entrée poulet à la portugaise oder pâté chaud de cailles oder homard à la parisienne oder alles zugleich, und als Plat de résistance, nun, nehmen wir canetons à la rouennaise oder ortolans sur canapés , und als Entremet aubergines à l’espagnole , asperges en branches , cassolettes princesse … Beim Wein weiß ich nicht recht, vielleicht Château-Margaux oder Château-Latour oder Château-Lafite, kommt auf den Jahrgang an. Und zum Abschluss eine bombe glacée .
    Gutes Essen hat mich schon immer mehr befriedigt als Sex. Vielleicht eine Folge meiner Erziehung durch Priester.
     
    Immer ist mir, als hätte ich etwas wie eine Wolke im Kopf, die mich daran hindert, Rückschau zu halten. Warum tauchen in meinem Gedächtnis auf einmal die kleinen Fluchten zum Bicerin wieder auf, die ich mir im Gewand von Pater Bergamaschi geleistet habe? Pater Bergamaschi hatte ich völlig vergessen. Wer war das? Es gefällt mir, die Feder einfach laufen zu lassen, wie mein Instinkt es befiehlt. Diesem österreichischen Doktor zufolge müsste ich auf diese Weise zu einem wirklich schmerzhaften Punkt in meinen Erinnerungen gelangen, der erklären würde, warum ich auf einmal so vieles ausgelöscht habe.
     
    Gestern, an dem Tag, den ich für Dienstag, den 22. März, gehalten hatte, war mir beim Erwachen, als ob ich noch sehr genau wüsste, wer ich bin: Hauptmann Simonini 2 , geschlagene siebenundsechzig Jahre alt, aber gut erhalten (mein Leibesumfang ist gerade so, dass man mich als einen stattlichen Herrn bezeichnen kann), mit einem Titel, den ich in Frankreich zur Erinnerung an meinen Großvater angenommen hatte, unter Berufung auf vage militärische Jugendsünden in den Reihen der garibaldinischen Truppen, was einem in diesem Lande, in dem Garibaldi höher geschätzt wird als in Italien, ein gewisses Prestige einbringt. Simon Simonini, geboren in Turin, der Vater Turiner, die Mutter aus Frankreich (oder genauer aus Savoyen, aber zur Zeit ihrer Geburt war Savoyen von Frankreich annektiert).
    Noch im Bett liegend, habe ich vor mich hin phantasiert… Bei den Problemen, die ich mit den Russen hatte (mit Russen?), sollte ich mich lieber nicht in meinen bevorzugten Restaurants sehen lassen. Ich könnte mir selbst etwas kochen. Es entspannt mich, ein, zwei Stündchen zu werkeln, um mir einen Leckerbissen zuzubereiten. Zum Beispiel côtes de veau Foyot – das Fleisch mindestens vier Zentimeter dick, doppelte Portion, versteht sich, zwei mittelgroße Zwiebeln, fünfzig Gramm Brosamen, fünfundsiebzig Gramm geriebenen Gruyère, fünfzig Gramm Butter, die Brosamen zu Paniermehl zerreiben und mit dem Gruyère vermischen, die Zwiebeln schälen und klein hacken, vierzig Gramm Butter in einer kleinen Kasserolle schmelzen lassen, während in einer anderen bei kleiner Hitze die Zwiebeln in der restlichen Butter brutzeln, den Boden eines Topfes mit der Hälfte der Zwiebeln bedecken, das Fleisch salzen und pfeffern und auf die Zwiebeln legen, dann oben mit dem Rest der Zwiebeln garnieren, das Ganze mit einer ersten Schicht Paniermehl und Käse bedecken und dabei das Fleisch gut auf den Boden der Pfanne drücken, die geschmolzene Butter darübergießen und leicht mit der Hand eindrücken, dann eine zweite Schicht Paniermehl mit Käse draufpacken, bis eine Art Kuppel entsteht, erneut geschmolzene Butter dazugeben und alles mit Weißwein und Brühe übergießen, bis etwa die mittlere Höhe des Fleisches erreicht wird. Das Ganze nun etwa eine halbe Stunde brutzeln lassen und nach Bedarf weiter mit Wein und Brühe anfeuchten. Mit geröstetem Blumenkohl anrichten.
    Es dauert ein Weilchen, aber die Freuden der guten Küche beginnen bereits vor denen des Gaumens, und zubereiten heißt immer

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