Die historischen Romane
eingelegt worden waren – für manche auch, aber nicht für meinen Großvater, in Milch), dazu rohe oder geröstete Peperoni, Weißkohlblätter, Topinambur und sehr zarter Blumenkohl – oder auch (aber das war, wie Großvater sagte, die Version für Arme) gekochtes Gemüse, Zwiebeln, Runkelrüben, Kartoffeln oder Karotten. Ich aß schon als Kind gern, und Großvater gefiel es, mich (wie er zärtlich sagte) dick wie ein kleines Schweinchen werden zu sehen.
Speicheltröpfchen über mich sprühend, legte er mir seine Grundsätze dar: »Die Revolution, mein Junge, hat uns zu Sklaven eines atheistischen Staates, ungleicher als vorher und zu feindlichen Brüdern gemacht, jeden zum Kain des anderen. Es ist nicht gut, allzu frei zu sein, und es ist auch nicht gut, alles Notwendige zu haben. Unsere Väter waren ärmer und glücklicher als wir, denn sie blieben in Kontakt mit der Natur. Die moderne Welt hat uns die Dampfmaschine gegeben, die das Land verpestet, und die mechanischen Webstühle, die so vielen Armen die Arbeit wegnehmen und nicht mehr die schönen Gewebe von einst erzeugen. Der sich selbst überlassene Mensch ist zu schlecht, um frei zu sein. Das bisschen Freiheit, das er braucht, muss durch einen Souverän garantiert sein.«
Doch sein bevorzugtes Thema war der Abbé Barruel 1 . Wenn ich an meine Kindheit zurückdenke, sehe ich diesen Abbé fast leibhaftig vor mir, als ob er bei uns im Hause wohnte, obgleich er schon lange tot sein musste.
»Weißt du, mein Junge«, höre ich Großvater sagen, »nachdem der Wahnsinn der Revolution alle Nationen Europas erschüttert hatte, verschaffte sich eine Stimme Gehör, die enthüllte, dass die Revolution nichts anderes gewesen war als das letzte und jüngste Kapitel einer universalen Verschwörung, die von den Templern gegen Thron und Altar geführt wurde, das heißt gegen die Könige, besonders die französischen, und gegen die Allerheiligste Mutter Kirche… Diese Stimme war die des Abbé Barruel, der Ende des Jahrhunderts seine Mémoires pour servir à l’histoire du Jacobinisme geschrieben hatte…«
»Aber Herr Großvater, was hatten denn die Templer damit zu tun?« fragte ich dann, obwohl ich diese Geschichte längst auswendig kannte, aber ich wollte dem Großvater Gelegenheit geben, über sein Lieblingsthema zu reden.
»Mein Junge, die Templer sind ein sehr mächtiger Ritterorden gewesen, den der König von Frankreich zerschlagen hatte, um sich seiner Reichtümer zu bemächtigen und viele von ihnen auf den Scheiterhaufen zu schicken. Doch die Überlebenden hatten sich zu einem geheimen Orden zusammengeschlossen, um sich an den Königen Frankreichs zu rächen. Und tatsächlich, als König Ludwigs Kopf unter die Guillotine rollte, ist ein Unbekannter aufs Schafott geklettert, hat den armen Kopf hochgehoben und gerufen: »Jacques de Molay, du bist gerächt!« Molay war der Templer-Großmeister gewesen, den der König auf der äußersten Spitze der Île de la Cité in Paris hatte verbrennen lassen.«
»Wann ist denn dieser Molay verbrannt worden?«
»Im Jahre 1314.«
»Lassen Sie mich rechnen, Herr Großvater… das war ja beinahe fünfhundert Jahre vor der Revolution! Und was haben die Templer in all diesen vielen Jahren getan, um verborgen zu bleiben?«
»Sie haben die Zünfte der mittelalterlichen Kathedralenmaurer unterwandert, und aus diesen Zünften ist dann das englische Freimaurertum entstanden, das sich so nennt, weil seine Angehörigen sich als free masons betrachteten, das heißt freie Maurer.«
»Und warum sollten diese Maurer dann die Revolution in Frankreich machen?«
»Barruel hatte begriffen, dass die ursprünglichen Templer und die Freimaurer von den Bayerischen Illuminaten erobert und korrumpiert worden waren. Das war eine schlimme Sekte, begründet von einem gewissen Weishaupt, in der jedes Mitglied nur seinen unmittelbaren Vorgesetzten kannte und nichts von den Anführern weiter oben und von ihren Plänen wusste und deren Ziel nicht nur war, Thron und Altar zu zerstören, sondern auch eine Gesellschaft ohne Gesetze und ohne Moral zu schaffen, in der alles allen gemeinsam gehörte, sogar die Frauen – Gott vergebe mir, wenn ich solche Dinge einem Jungen wie dir erzähle, aber man muss die Ränke Satans erkennen. Und fest verbunden mit diesen Illuminaten waren jene Verleugner allen Glaubens, die das Projekt der Encyclopédie ins Leben gerufen hatten, ich meine Voltaire und d’Alembert und Diderot und diese ganze Sippschaft,
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