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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Ende zu machen habe der Elende die Namen von fünf seiner Glaubensbrüder genannt, die nichts mit der Sache zu tun hatten, und die seien daraufhin zum Tode verurteilt worden, während er mit ausgerenkten Gliedern freigelassen worden sei, aber unterdessen habe er den Verstand verloren, und da habe ihn eine gute Seele auf ein Handelsschiff gebracht, das nach Genua fuhr, sonst hätten ihn die anderen Juden gesteinigt. Jemand sagte sogar, auf dem Schiff sei er von einem Barnabiten überredet worden, sich taufen zu lassen, was er akzeptiert habe, um nach der Landung im Königreich Piemont-Sardinien Hilfe zu bekommen, aber im Herzen sei er der Religion seiner Väter treu geblieben. Somit wäre er das, was die Christen einen Marranen nennen, nur dass er, als er nach Turin kam und um Aufnahme ins Ghetto bat, leugnete, jemals zum Christentum übergetreten zu sein, so dass viele meinten, er sei ein falscher Jude, der sich im Herzen seinen neuen christlichen Glauben bewahrte – also gewissermaßen ein zweifacher Marrane. Da jedoch niemand all diese Gerüchte aus Übersee prüfen konnte, wurde er aus Mitleid, das man den Geistesverwirrten schuldet, von allen gemeinsam am Leben erhalten, wenn auch sehr kärglich, und in einen Verschlag gesteckt, den nicht einmal ein Ghettobewohner betreten hätte.
    Nach Ansicht meines Großvaters war dieser alte Jude, was immer er in Damaskus getan haben mochte, durchaus nicht verrückt. Er sei einfach von einem unauslöschlichen Hass auf die Christen beseelt gewesen, und – so der Großvater weiter – in seiner elenden fensterlosen Behausung habe der Alte ihn mit zitternder Hand am Arm gefasst, ihn mit im Dunkeln glühenden Augen angesehen und gesagt, seit damals habe er sein Leben der Rache gewidmet. Er habe ihm erzählt, wie ihr Talmud den Hass auf die christliche Rasse vorschreibe und wie sie, die Juden, um die Christen zu verderben, die Freimaurer erfunden hätten, bei denen er einer der unbekannten Oberen geworden sei, der die Logen von Neapel bis London befehlige, was aber geheim bleiben müsse, streng geheim und verborgen, damit er nicht von den Jesuiten erstochen werde, die überall nach ihm suchten.
    »Beim Sprechen sah er sich dauernd um, als könne aus jeder Ecke ein Jesuit mit einem Dolch hervorspringen, zog dann geräuschvoll die Nase hoch, weinte ein bisschen über seine traurige Lage, grinste ein bisschen schlau und sichtlich genießend, dass die ganze Welt nichts ahnte von seiner schrecklichen Macht, tastete schmierig nach meiner Hand und fuhr fort zu phantasieren. Und sagte mir, wenn ich wolle, würde mich seine Sekte mit Freuden aufnehmen und er würde mich in die geheimste der Freimaurerlogen einführen.«
    Weiter enthüllte er, dass sowohl Mani, der Gründer der Sekte der Manichäer, als auch der ruchlose Alte vom Berge, der seine Assassinen mit Drogen vollstopfte, um sie zum Mord an christlichen Fürsten auszusenden, gleichfalls jüdischer Rasse waren. Dass die Freimaurer und die Bayerischen Illuminaten von zwei Juden begründet wurden und dass alle antichristlichen Sekten auf die Juden zurückgehen, die inzwischen in der ganzen Welt so zahlreich geworden sind, dass sie auf viele Millionen Menschen jeden Geschlechts, jeden Standes, jeden Ranges und jeder gesellschaftlichen Lage kommen, unter Einschluss auch vieler Geistlicher und sogar einiger Kardinäle, und in Kürze hofften sie sogar einen Papst aus ihren Reihen zu haben (was mein Großvater in späteren Jahren mit den Worten kommentierte, seit ein so zweifelhafter Mann wie Pius IX. den Stuhl Petri bestiegen habe, sei das gar nicht so unwahrscheinlich). Denn um die Christen besser täuschen zu können, gaben sie sich oft selber als Christen aus, reisten und übersiedelten von einem Lande zum anderen mit falschen Taufscheinen, die sie sich von korrupten Pfaffen besorgten, suchten durch Geld und Betrug in allen Ländern das Bürgerrecht zu erhalten, was ihnen schon in vielen gelungen war, erwarben dann Häuser und Land, um mit Wucherzinsen die Christen ihres Grundeigentums und ihrer Ersparnisse zu berauben, und versprachen sich auf diese Weise, in weniger als einem Jahrhundert die Herren der Welt zu sein, alle anderen Sekten abzuschaffen, um allein die ihre herrschen zu lassen, die christlichen Kirchen in lauter Synagogen umzuwandeln und die restlichen Christen der Sklaverei zu unterwerfen.
    »Das war es«, schloss der Großvater, »was ich dem Abbé Barruel enthüllt habe. Vielleicht habe ich ein bisschen übertrieben,

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