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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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einem Schuss Cognac und Kirsch.
    Ich würde mich, zugegeben, körperlich ein bisschen schwer fühlen, aber der Geist wäre entspannt.
    Doch leider kann ich mir diese genüssliche Auszeit nicht erlauben. Ich habe mein Gedächtnis verloren, sage ich mir, und wenn ich im Restaurant jemandem begegne, der mich erkennt, kann es sein, dass ich ihn nicht erkenne. Wie würde ich dann reagieren?
    Ich frage mich auch, wie ich reagieren würde, wenn jemand den Laden besuchen käme. Bei dem Typ mit dem Testament Bonnefoy und bei der Alten mit den Hostien ist es gut gegangen, aber es hätte auch anders gehen können. Darum hänge ich besser ein Schild an die Tür, auf dem steht: »Der Eigentümer ist für einen Monat abwesend«, ohne zu präzisieren, wann dieser Monat beginnt und wann er endet. Solange ich nicht etwas mehr über mich begriffen habe, werde ich mich im Hause verkriechen müssen und nur ausgehen, um mir ab und zu etwas zu essen zu holen. Vielleicht wird Fasten mir guttun, wer weiß, ob das, was mir zugestoßen ist, nicht das Ergebnis einer exzessiven Völlerei war, die ich mir… wann?… am Abend des berüchtigten 21. März gegönnt habe?
    Im übrigen hätte ich, um mit der Rekonstruktion meiner Vergangenheit zu beginnen, meinen Nabel fixieren müssen, wie Burot (oder Bourru) gesagt hat, und mit vollem Bauch hätte ich dann, auch wenn ich nicht voluminöser bin, als es mein Alter verlangt, die Erinnerungsarbeit damit beginnen müssen, mich im Spiegel zu betrachten.
    Stattdessen habe ich gestern an diesem Schreibtisch angefangen und seitdem fast ohne Pause geschrieben, ohne etwas anderes zu essen als ab und zu einen Happen und dazu, dies ja, rückhaltlos zu trinken. Das Beste an diesem Haus ist sein guter Keller.

   4.
Großvaters Zeiten
    26. März 1897
     
    Meine Kindheit. Turin… Ein Hügel jenseits des Po, ich auf dem Balkon mit Mama. Dann war meine Mutter nicht mehr da, mein Vater saß weinend auf dem Balkon vor dem Hügel, während die Sonne unterging, und Großvater sagte, Gott habe es so gewollt.
    Mit meiner Mutter sprach ich französisch, wie jeder Piemontese aus gutem Hause (hier in Paris glauben die Leute, ich sei aus Grenoble, wo man das reinste Französisch spricht, nicht das babil der Pariser). Seit der Kindheit habe ich mich mehr französisch als italienisch gefühlt, wie es bei jedem Piemontesen vorkommt. Deshalb finde ich die Franzosen unerträglich.
     
    * * *
     
    Meine Kindheit, das war mein Großvater, mehr als mein Vater oder meine Mutter. Ich hasste meine Mutter, die sich einfach davongemacht hatte, ohne mir vorher etwas zu sagen, meinen Vater, der unfähig war, etwas dagegen zu tun, Gott, weil er es so gewollt hatte, und den Großvater, weil er es normal fand, dass Gott es so gewollt hatte. Mein Vater war immer irgendwo anders – um Italien zu schaffen, sagte er. Dann hat Italien ihn geschafft.
    Der Großvater. Giovan Battista Simonini, einst Offizier des savoyischen Heeres, ich glaube mich zu erinnern, dass er es in der Zeit der Napoleonischen Invasionen verlassen hatte, um sich den Bourbonen in Florenz anzuschließen, und als dann auch die Toskana unter die Herrschaft einer Bonaparte geriet, war er nach Turin zurückgekehrt, um als pensionierter Hauptmann seinen Ärger und Groll zu kultivieren.
    Knollennasig, wie er war, sah ich von ihm, wenn er mich an der Hand führte, nur seine Nase. Und spürte auf dem Gesicht seine Speichelspritzer. Er war das, was die Franzosen einen ci-devant nannten, ein Nostalgiker des Ancien Régime, und er hatte sich nicht mit den Untaten der Revolution abgefunden. Er trug weiterhin die culottes – er hatte noch kräftige Waden –, die unter dem Knie mit einer goldenen Spange zusammengehalten wurden, und golden waren auch die Schnallen seiner Lackschuhe. Anzug, Weste und Krawatte, alles schwarz, gaben ihm ein leicht priesterliches Aussehen. Obgleich die Eleganzregeln der vergangenen Zeit es nahelegten, auch eine gepuderte Perücke zu tragen, hatte er darauf verzichtet, weil, wie er sagte, auch Pfaffenfresser wie Robespierre sich mit gepuderten Perücken schmückten.
    Mir war nie klar, ob er wirklich wohlhabend war, aber er verbot sich nicht eine gute Küche. Vom Großvater meiner Kindheit habe ich vor allem die » bagna caöda « in Erinnerung, eine Art Gemüseeintopf mit Karden: In einem Terrakottagefäß auf kleinem Feuer erhitzte man Öl zusammen mit Sardinen, Knoblauch und Butter, tauchte die Karden hinein (die vorher in kaltem Wasser mit Zitronensaft

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