Die historischen Romane
Bart und Kopfhaar überall im Gesicht zusammenwachsen, so dass es aussieht, als rasiere er sich bloß das Weiß der Augen) und vor allem den Koch Jean Boyer – und nach der Art, wie Dumas ihn präsentierte, könnte man meinen, er sei die wichtigste Person der Truppe. Dumas reist mit einem Hofstaat wie ein Grandseigneur aus früheren Zeiten.
Während mich Podimatas in meine Kabine führte, kündigte er mir an, dass Boyers Spezialität die asperges aux petits pois seien, ein kurioses Gericht, denn Erbsen waren keine darin zu finden.
Wir passierten die Insel Caprera, auf die sich Garibaldi zurückzuziehen pflegt, wenn er nicht kämpft.
»Dem General werden Sie bald begegnen«, sagte Dumas zu mir, und das bloße Reden von ihm ließ sein Gesicht vor Bewunderung aufleuchten. »Mit seinem blonden Bart und den blauen Augen sieht er aus wie der Jesus in Leonardos Letztem Abendmahl . Seine Bewegungen sind voller Eleganz, seine Stimme ist von unendlicher Sanftheit. Er wirkt ruhig und gelassen, aber sprechen Sie vor ihm die Worte Italien und Unabhängigkeit aus, und Sie werden ihn erwachen sehen wie einen Vulkan, mit Feuerstößen und Lavaströmen. Zum Kampf geht er nie bewaffnet; im Moment der Aktion zieht er den erstbesten Säbel, der ihm vor die Finger kommt, wirft die Scheide fort und stürzt sich auf den Feind. Er hat nur eine Schwäche: Er glaubt, ein As im Boccia zu sein.«
Kurz darauf große Aufregung an Bord. Die Matrosen waren dabei, eine große Meeresschildkröte zu fangen, wie man sie südlich von Korsika finden kann. Dumas rieb sich die Hände.
»Da wird’s Arbeit geben. Man muss sie erst auf den Rücken drehen, das dumme Tier wird den Hals herausstrecken, und dann nutzen wir seine Torheit, um ihm den Kopf abzuhacken, zack, dann hängen wir es am Schwanz auf und lassen es zwölf Stunden lang ausbluten. Danach drehen wir es erneut auf den Rücken, führen eine robuste Klinge zwischen Bauch- und Rückenschuppen und öffnen es, wobei wir gut aufpassen müssen, dass wir nicht die Galle verletzen, sonst wird alles ungenießbar. Wir ziehen die Eingeweide heraus und behalten nur die Leber, das transparente Gallert ist zu nichts zu gebrauchen, aber es gibt zwei weiße Fleischlappen, die wie Kalbsnüsse aussehen und auch so schmecken. Danach trennen wir die Gliedmaßen ab, den Hals und die Flossen, das Fleisch wird in nussgroße Stücke geschnitten, geschabt und gesäubert und in eine gute Brühe gelegt, mit Pfeffer, Nelken, Thymian und Lorbeer gewürzt und das Ganze drei bis vier Stunden auf kleiner Flamme geköchelt. Unterdessen schneidet man Hühnerfleisch in Würfel, tut sie mit Petersilie, Zwiebelkraut und Sardellen in die kochende Brühe, lässt sie dann abtropfen, verteilt sie auf die Tassen und gießt die abgeseihte Schildkrötensuppe darüber, die mit drei bis vier Gläsern trockenem Madeira abgeschmeckt worden ist. Wenn kein Madeira da wäre, könnte man auch Marsala nehmen, mit einem Gläschen Aquavit oder Rum. Aber das wäre bloß ein pis aller , ein Notbehelf. Morgen abend werden wir unsere Suppe genießen.«
Ich empfand Sympathie für einen Mann, dem gutes Essen so sehr am Herzen liegt, mag er auch von dubioser Rasse sein.
* * *
(13. Juni) Seit vorgestern liegt die Emma im Hafen von Palermo. Mit ihrem Gewimmel von Rothemden erinnert die Stadt an ein Mohnfeld. Dabei sind viele Garibaldiner gekleidet und bewaffnet, wie’s gerade kommt, einige tragen nur eben ein Hütchen mit Feder zu ihren bürgerlichen Kleidern. Das liegt daran, dass roter Stoff kaum noch aufzutreiben ist, und ein Hemd in dieser Farbe kostet ein Vermögen, vielleicht kriegen es eher die vielen Söhne des hiesigen Adels, die sich den Garibaldinern nach den ersten blutigen Schlachten angeschlossen haben, als die aus Genua aufgebrochenen Freiwilligen. Der Cavaliere Bianco hatte mir genug Geld gegeben, um in Sizilien zu überleben, und so habe ich mir sofort eine ziemlich abgetragene Uniform besorgt, um nicht wie ein eben eingetroffener Stutzer zu wirken, mit ausgeleierter Hose und einem Hemd, das durch vieles Waschen schon langsam rosa wird. Aber dieses eine Hemd hat mich schon den Gegenwert von 15 Francs gekostet, für dasselbe Geld hätte ich in Turin vier Hemden bekommen.
Hier ist alles unsinnig teuer geworden, ein Ei kostet umgerechnet vier Sous, ein Pfund Brot sechs, ein Pfund Fleisch dreißig. Ich weiß nicht, ob es daher kommt, dass die Insel arm ist und die Besatzer ihre geringen Ressourcen verbrauchen, oder
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