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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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keine Enthüllungen mehr über das heraus, was er von der Alliance Israélite Universelle erfahren hatte.
    So hörte Simonini auf, ihn zu informieren. Aber das Problem war, sagte er sich, während er dies alles aufschrieb: Wieso erinnere ich mich daran, dass ich Osman-Bey Dinge erzählt habe, die ich von Taxil erfahren hatte, während mir von meinen Kontakten mit Taxil nichts mehr in Erinnerung ist?
    Schöne Frage. Wenn er sich an alles erinnert hätte, wäre er nicht hier um aufzuschreiben, was er Schritt für Schritt rekonstruierte. Quelle histoire!
     
    Mit diesem weisen Kommentar war Simonini schlafen gegangen, um an dem, was er für den nächsten Morgen hielt, wieder aufzuwachen, schweißüberströmt wie nach einer Nacht voller Albträume und Magenkrämpfe. Doch als er sich wieder an seinen Schreibtisch setzte, musste er feststellen, dass er nicht am nächsten, sondern am übernächsten Morgen aufgewacht war. Und während er nicht eine, sondern zwei unruhige Nächte geschlafen hatte, war der unvermeidliche Abbé Dalla Piccola, nicht zufrieden damit, Simoninis Kloake mit Leichen zu füllen, erneut interveniert, um Geschehnisse zu erzählen, von denen Simonini offensichtlich nichts wusste.

22.
Der Teufel im 19. Jahrhundert
    14. April 1897
     
    Cher Capitaine Simonini,
    wiederum: Wo Sie wirre Ideen haben, erwachen in mir lebhafteste Erinnerungen.
    So scheint mir heute, dass ich es war, der erst zu Monsieur Hébuterne und dann zu Pater Bergamaschi ging. Zu beiden ging ich in Ihrem Auftrag, um Geld in Empfang zu nehmen, das ich Léo Taxil geben sollte. Dann ging ich, diesmal im Auftrag des Notars Fournier, zu Léo Taxil.
    »Monsieur«, sagte ich zu ihm, »ich will mich nicht hinter meinem Priestergewand verschanzen, um Sie aufzufordern, jenen Christus Jesus anzuerkennen, den Sie verhöhnen, und ob Sie zur Hölle fahren oder nicht, ist mir gleichgültig. Ich bin nicht hier, um Ihnen das ewige Leben zu versprechen, ich bin hier, um Ihnen zu sagen, dass eine Reihe von Publikationen, welche die Verbrechen der Freimaurer anprangern, ein wohlmeinendes Publikum fänden, das ich nicht zögere, sehr groß zu nennen. Vielleicht können Sie sich nicht vorstellen, wieviel es einem Buch nützen würde, die Unterstützung aller Klöster, aller Pfarreien, aller Erzbistümer nicht nur in Frankreich, sondern auf längere Sicht der ganzen Welt zu haben. Um Ihnen zu beweisen, dass ich nicht hier bin, um Sie zu bekehren, sondern um Sie Geld verdienen zu lassen, sage ich Ihnen sofort, was meine bescheidenen Wünsche sind. Es genügt, dass Sie mir ein Dokument unterzeichnen, das mir – beziehungsweise der frommen Kongregation, die ich vertrete – zwanzig Prozent Ihrer künftigen Tantiemen zusichert, und ich werde Sie mit jemandem bekannt machen, der von den Geheimnissen der Freimaurer sogar noch mehr weiß als Sie.«
    Ich denke, Capitaine Simonini, dass wir vereinbart hatten, die famosen zwanzig Prozent von Taxils Tantiemen unter uns aufzuteilen. A fonds perdu machte ich ihm sodann das andere Angebot:
    »Es gibt auch fünfundsiebzigtausend Francs für Sie, fragen Sie nicht, woher sie kommen, vielleicht kann Ihnen mein Gewand einen Hinweis geben. Diese fünfundsiebzigtausend Francs gehören Ihnen, auch schon bevor Sie anfangen, auf bloßes Vertrauen hin, sofern Sie morgen in aller Öffentlichkeit Ihre Konversion verkünden. Von diesen fünfundsiebzigtausend – ich wiederhole: fünfundsiebzigtausend – müssen Sie kein Prozent Provision zahlen, denn bei mir und meinen Mandanten haben Sie es mit Personen zu tun, für die Geld der Kot des Teufels ist. Zählen Sie nach: Es sind fünfundsiebzigtausend.«
    Die Szene steht mir so deutlich vor Augen, als betrachtete ich eine Daguerreotypie.
    Ich hatte gleich das Gefühl, dass Taxil nicht nur von den fünfundsiebzigtausend Francs und der Verheißung künftiger Tantiemen beeindruckt war (obwohl das Geld auf dem Tisch seine Augen erglänzen ließ), sondern auch von der Idee, eine Drehung um hundertachtzig Grad zu vollführen und aus einem in der Wolle gefärbten Antiklerikalen zu einem glühenden Katholiken zu werden. Er genoss die Verblüffung der Öffentlichkeit und die Artikel, die über ihn in den Zeitungen stehen würden. Das war noch viel besser, als eine römische Stadt auf dem Grunde des Genfer Sees zu erfinden.
    Er lachte lustvoll auf und machte bereits Pläne für die kommenden Bücher, einschließlich der Illustrationen.
    »Oh«, sagte er, »ich sehe schon einen ganzen

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