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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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er das Brot in seinen Leib verwandelte, sei es unsere Aufgabe, diese blasphemische Hostie, mit der die Priester jeden Morgen den Verrat Jesu erneuerten, mit einem Dolch zu durchstechen. Sagen Sie mir, mein Herr, will der Großmeister wirklich, dass diese Geste Teil einer Initiation ist?«
    »Es steht mir nicht zu, mich darüber zu äußern. Sagen Sie mir lieber, was Sie getan haben.«
    »Ich habe mich selbstverständlich geweigert. Eine Hostie erdolchen heißt glauben, dass sie wirklich der Leib Jesu ist, während ein Palladist sich weigern muss, diese Lüge zu glauben. Das Hostien-Erdolchen ist ein katholischer Ritus für gläubige Katholiken!«
    »Da haben Sie, glaube ich, recht«, sagte ich. »Ich werde mich zum Botschafter Ihrer Rechtfertigung beim Großmeister machen.«
    »Danke, Bruder«, sagte Diana und küsste mir die Hände. Dann, fast nachlässig, knöpfte sie den oberen Teil ihrer Bluse auf und zeigte mir eine blendend weiße Schulter, wobei sie mich einladend ansah. Aber plötzlich krümmte sie sich auf dem Sessel zusammen, als würde sie von Krämpfen geschüttelt. Dr. Du Maurier rief eine Krankenschwester, und gemeinsam trugen sie die junge Frau auf das Bett. Der Doktor sagte: »Gewöhnlich wechselt sie, wenn sie eine solche Krise hat, von einem Zustand in den anderen über. Sie hat noch nicht das Bewusstsein verloren, das ist bloß eine Kontraktion des Unterkiefers und der Zunge. Da genügt eine leichte Ovarialkompression…«
    Nach einer Weile sank Dianas Unterkiefer herunter, ein wenig nach links verschoben, der Mund verzog sich schief und blieb offen stehen, so dass man die Zunge sah, die sich zusammengerollt hatte, mit der Spitze nach innen, als wäre die Kranke im Begriff, sie zu verschlucken. Dann entspannte sich die Zunge, kam plötzlich ein Stück aus dem Mund heraus und fuhr wieder hinein und züngelte wieder heraus und wieder hinein, mehrmals mit großer Schnelligkeit, wie bei einer Schlange. Schließlich kehrten Zunge und Kiefer wieder in ihren natürlichen Zustand zurück, und die Kranke stammelte ein paar Worte: »Die Zunge… mir brennt der Gaumen… Ich habe eine Spinne im Ohr…«
    Nach einer kurzen Ruhepause hatte die Kranke erneut eine Kontraktion des Unterkiefers und der Zunge, die erneut mit einer Ovarialkompression beruhigt wurde, aber bald darauf begann sie zu keuchen, Satzfetzen kamen aus ihrem Mund, der Blick wurde starr, die Pupillen rutschten nach oben, der ganze Körper erstarrte, die Arme zuckten und vollführten kreisförmige Bewegungen, wobei die Handrücken sich berührten und die Finger sich streckten…
    »Die Füße wie Pferderücken gebogen«, kommentierte Du Maurier. »Das ist die epileptische Phase. Normal. Sie werden sehen, gleich kommt die clowneske Phase…«
    Das Gesicht verkrampfte sich zusehends, der Mund klappte auf und zu, weißer Speichel trat in Form großer Blasen hervor. Jetzt stieß die Kranke kurze Schreie und Seufzer aus, die wie »uh! uh!« klangen, die Gesichtsmuskeln zuckten krampfhaft, die Lider flatterten auf und ab, und als wäre die Kranke eine Akrobatin, bog sich ihr Körper empor, bis er nur noch auf Füßen und Hinterkopf ruhte.
     
     
     
    Ein paar Sekunden lang bot sich uns das grässliche Schauspiel einer aus den Fugen geratenen Marionette, die ihr Gewicht verloren hatte, dann fiel die Kranke zurück aufs Bett und begann Haltungen anzunehmen, die Du Maurier als »leidenschaftsbestimmt« definierte, zuerst beinah drohende, als wehrte sie sich gegen einen Aggressor, dann fast schelmische, als wollte sie jemandem zuzwinkern. Gleich danach setzte sie die schlüpfrige Miene eine Verführerin auf, die den Kunden mit obszönen Zungenbewegungen lockt, dann nahm sie die Pose liebevollen Flehens ein, mit feuchtem Blick, ausgestreckten Armen und gefalteten Händen, die Lippen geschürzt, wie um einen Kuss zu provozieren, schließlich verdrehte sie die Augen so sehr nach oben, dass nur noch das Weiße zu sehen war, und brach in eine erotische Verzückung aus: »O mein guter Herr«, stieß sie mit gebrochener Stimme hervor, »o liebste Schlange, heilige Viper… ich bin deine Cleopatra… hier an meiner Brust… will ich dich nähren… o mein Lieb, dringe ganz in mich ein…«
    »Diana sieht eine Tempelschlange, die in sie eindringt, andere sehen das Herz Jesu, das sich mit ihnen vereint. Eine phallische Form zu sehen oder das Bild einer männlichen Dominanz«, erklärte Du Maurier, »ist für eine Hysterikerin manchmal fast dasselbe wie denjenigen

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