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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Mitteln die Loge versuchte, sich leicht beeindruckbare Aspiranten hörig zu machen.
    Nach dieser Einleitung richtete ein sogenannter Schrecklicher Bruder den Profanen her, nahm ihm Hut, Rock und den rechten Schuh ab, krempelte ihm das rechte Hosenbein bis übers Knie hoch, entblößte seinen Arm und die Brust auf der Seite des Herzens, verband ihm die Augen, ließ ihn sich mehrere Male um sich selbst drehen und führte ihn dann, nach einem Auf und Ab über verschiedene Treppen, in den Saal der Verlorenen Schritte. Eine Tür öffnete sich, wozu ein Bruder Experte mittels eines Instruments aus dicken metallisch kreischenden Federn das Geräusch großer Ketten simulierte. Der Aspirant wurde in einen Saal geführt, wo der Experte ihm eine Schwertspitze auf die nackte Brust setzte und der Venerable ihn fragte: »Profaner, was spürt Ihr auf Eurer Brust? Was habt Ihr auf den Augen?« Worauf der Gefragte antworten musste: »Eine dichte Binde bedeckt mir die Augen, und auf der Brust spüre ich die Spitze einer Waffe.« Und der Venerable: »Mein Herr, dieses Eisen, stets gezückt, um den Meineidigen zu bestrafen, ist das Symbol des Gewissensbisses, der Euch das Herz zerreißen würde, wenn Ihr zu Eurem Unglück ein Verräter der Gesellschaft würdet, in die Ihr Einlass begehrt; und die Binde, die Euch die Augen bedeckt, ist das Symbol der Verblendung, in welcher derjenige verharrt, der sich von Leidenschaften beherrschen lässt und sowohl im Unwissen wie im Aberglauben versinkt.«
    Dann bemächtigte sich jemand des Aspiranten, ließ ihn weitere Drehungen um sich selbst machen, bis ihm schwindlig wurde, und schob ihn voran zu einer großen spanischen Wand aus mehreren Schichten starken Papiers, ähnlich den papierbespannten Ringen, durch welche die Pferde im Zirkus springen. Auf das Kommando, ihn in die Höhle zu führen, wurde der Ärmste mit voller Kraft gegen diese spanische Wand geworfen, das Papier zerriss, und er stürzte auf eine dahinter ausgelegte Matratze.
     
     
     
    Eine weitere Prüfung war die Unendliche Treppe, die in Wirklichkeit eine Art Paternoster war, denn wer sie mit verbundenen Augen hinaufstieg, fand immer wieder eine neue Stufe, auf die er treten musste, aber da sich die Treppe ununterbrochen nach unten wegdrehte, blieb der Betreffende immer auf gleicher Höhe.
    Schließlich tat man sogar so, als unterzöge man den Aspiranten der Absaugung des Blutes und der Stempelung mit einem Brandzeichen. Für das Blut kam ein Bruder Chirurg, der den nackten Arm packte, ihn ziemlich fest mit der Spitze eines Zahnstochers piekte, und ein anderer Bruder goss einen dünnen Strahl lauwarmen Wassers auf den Arm des Aspiranten, um ihn glauben zu machen, es sei sein Blut, was da floss. Für die Prüfung mit dem Brandeisen rieb einer der Experten mit einem trockenen Tuch einen Teil des Körpers ab und presste dann ein Stück Eis darauf, oder auch das warme Ende einer eben erloschenen Kerze oder den Boden eines Likörgläschens, das erhitzt worden war, indem man Papier darin verbrannt hatte. Wenn alles überstanden war, machte der Venerable den Aspiranten mit den geheimen Zeichen und speziellen Motti bekannt, an denen die Brüder einander erkennen.
     
    Nun erinnerte sich Simonini an diese Werke von Taxil als deren Leser, nicht als deren Anreger. Gleichwohl entsann er sich langsam, dass jedesmal, wenn ein neues Buch von Taxil erschien, er vorher – also musste er es schon kennen – zu Osman-Bey gegangen war, um ihm den Inhalt zu erzählen, als handle es sich um ganz extraordinäre Enthüllungen. Zwar machte Osman-Bey ihn dann beim nächsten Mal darauf aufmerksam, dass alles, was er ihm das letzte Mal erzählt hatte, anschließend in einem Buch von Taxil erschienen war, aber Simonini hatte leichtes Spiel mit der Antwort, dass Taxil ja sein Informant sei und dass er, Simonini, nichts dafür könne, wenn Taxil, nachdem er ihm die Freimaurergeheimnisse enthüllt habe, aus ihnen noch einen ökonomischen Vorteil zu ziehen versuche, indem er sie in einem Buch publiziere. Man müsste ihn eher noch extra dafür bezahlen, dass er seine Erfahrungen nicht veröffentlichte – und bei diesen Worten sah Simonini sein Gegenüber mit sprechenden Blicken an. Doch Osman-Bey meinte, Geld auszugeben, um einen notorischen Schwätzer zum Schweigen zu überreden, sei nutzlos. Warum sollte Taxil ausgerechnet über Geheimnisse schweigen, die er gerade eben erst enthüllt hatte? Und zu Recht misstrauisch geworden, rückte Osman-Bey seinerseits

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