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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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fesseln, ohne dass diese den Grund dazu klar erkennen, sie nach fremder Willkür zum Werkzeug jeglichen Frevels gebrauchen, ihnen den Mordstahl in die Hand drücken unter dem Vorwand der Straflosigkeit – das ist eine Ungeheuerlichkeit, die der Natur durchaus widerstreitet.« Zu schweigen vom Naturalismus und Relativismus der freimaurerischen Lehren, nach denen allein die menschliche Vernunft in allen Dingen die oberste Richtschnur zu sein hatte. Und die Ergebnisse dieser Ansprüche lagen ja offen zutage: der Papst seiner weltlichen Macht beraubt, die Kirche offen angegriffen, die Ehe zu einem bloßen Vertrag profaniert, die Erziehung der Jugend aus den Händen der Geistlichen in die von Laien übertragen, und gelehrt wurde, »alle Menschen hätten dasselbe Recht und seien ihrem Wesen nach vollkommen gleich, jeder sei von Natur aus frei, keiner habe das Recht, anderen zu gebieten, und Gehorsam einer Autorität gegenüber zu fordern, die nicht von ihnen ausgegangen ist, sei Tyrannei«. Dergestalt, dass für die Freimaurer »die Quelle aller Rechte und Pflichten der Bürger das Volk oder der Staat ist«, und der Staat könne nicht anders als atheistisch sein.
    Es war evident, dass »wo Gottesfurcht und Achtung vor Gottes Geboten geschwunden ist, wo die Autorität der Fürsten geschmäht, Aufruhr erlaubt und gutgeheißen, den Begierden der Menge volle Zügellosigkeit gestattet wird und nur die Furcht vor Strafe sie noch zurückhält, ein allgemeiner Umsturz erfolgen muss… was ja auch eingestandenes Ziel der Sozialisten und Kommunisten ist, von deren Vorstellungen frei zu sein die Freimaurerei nicht behaupten kann.«
    Es war höchste Zeit, Taxils Konversion »explodieren« zu lassen.
     
    An diesem Punkt scheint Simoninis Tagebuch sich gleichsam zu winden und zu kneten. Als ob unser Mann sich nicht mehr recht erinnerte, wer Taxil dazu gebracht hatte zu konvertieren, und auf welche Weise. Als ob sein Gedächtnis gleichsam einen Sprung machte und ihm nur noch erlaubte, sich zu erinnern, dass Taxil im Laufe weniger Jahre zum katholischen Helden der Antifreimaurerei geworden war. Nachdem der Marseiller seine Rückkehr in die Arme der Kirche urbi et orbi verkündet hatte, veröffentlichte er erst Les Frères Trois-Points (die drei Punkte waren die des 33. Freimaurergrades) und Les Mystères de la Franc-Maçonnerie (mit dramatischen Illustrationen von Satansbeschwörungen und haarsträubenden Riten) und gleich danach Les Sœurs Maçonnes , worin es um die weiblichen Logen ging (die bislang unbekannt waren), und ein Jahr später La Franc-Maçonnerie dévoilée sowie La France Maçonnique .
     
     
     
    Schon in diesen ersten Büchern genügte die Beschreibung einer Initiation, um den Leser erschauern zu lassen. Taxil war für acht Uhr abends in das Freimaurerhaus bestellt worden, wo er von einem Bruder Pförtner empfangen wurde. Um halb neun schloss man ihn in das Kabinett der Reflexionen ein, eine Kammer mit schwarzgestrichenen Wänden, auf denen Totenköpfe mit zwei überkreuzten Schienbeinknochen zu sehen waren sowie Schriftzeilen von der Art Führt eitle Neugier dich hierher, weiche von hinnen! Plötzlich flackerte die Gasflamme wiederholt, eine falsche Wand glitt auf verborgenen Schienen beiseite, und vor dem profanen Eindringling tat sich ein von Friedhofslichtern erhellter unterirdischer Raum auf. Ein frisch abgehackter menschlicher Kopf lag auf einem Richtblock auf blutigem Leinen, und während Taxil entsetzt zurückwich, rief eine Stimme, die aus der Wand zu kommen schien: »Zittere, o Profaner! Du siehst den Kopf eines meineidigen Bruders, der unsere Geheimnisse verraten hat!«
    Natürlich handelte es sich um einen Trick, merkte Taxil an, und der Kopf musste der eines Komparsen sein, der verborgen in dem ausgehöhlten Richtblock hockte; die Lampen hatten Dochte, die in Kampferspiritus getränkt waren, der mit grobem Küchensalz brennt, und es war jene Mischung, welche die Taschenspieler auf dem Jahrmarkt »Höllensalat« nennen, die, wenn sie brennt, ein grünliches Licht erzeugt, das dem Kopf des falschen Geköpften eine leichenähnliche Farbe verleiht. Doch bei anderen Initiationen hatte Taxil von Wänden gehört, die aus einem angelaufenen Spiegel bestanden, auf welchem, sobald die Flamme der Lampe erlosch, eine Laterna magica Gespenster erscheinen ließ, die sich bewegten, und maskierte Männer, die einen Angeketteten umgaben und ihn mit Dolchen durchbohrten. Dies alles nur um zu sagen, mit was für unwürdigen

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