Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
Vom Netzwerk:
die Grenzen zwischen Böse und Gut sehr durchlässig, und das, was für die einen gut ist, ist für andere böse. Manchmal, das war auch schon in den antiken Geschichten so, ist der Unterschied zwischen einer Fee und einer Hexe bloß einer des Alters und der Anmut.«
    »Aber wie agieren diese Zauberer?«
    »Es heißt, der Großmeister von Charleston war in einen Streit mit einem gewissen Gorgas in Baltimore geraten, der dort Oberhaupt eines abtrünnigen schottischen Ritus ist. Er beschaffte sich durch Bestechung der Wäscherin von Gorgas ein Taschentuch von ihm. Das legte er in Salzwasser ein, und jedesmal, wenn er Salz hinzutat, murmelte er Sagrapim melanchtebo rostromouk elias phitg . Dann trocknete er das Tuch an einem Feuer, das mit Magnolienzweigen genährt wurde, vollführte drei Wochen lang jeden Samstagmorgen eine Anrufung des Moloch, wobei er die Arme ausstreckte und das Taschentuch ausgebreitet auf den Händen hielt, wie um es dem Dämon als Geschenk anzubieten. Am dritten Samstag gegen Abend verbrannte er das Tuch über einer Alkoholflamme, tat die Asche auf einen Bronzeteller und ließ sie die ganze Nacht so liegen, verknetete sie am nächsten Morgen mit Wachs und formte daraus eine Puppe, ein Püppchen. Solche teuflischen Kreationen nennt man Dagyde . Er steckte die Dagyde in eine Glaskugel, die mit einer Luftpumpe verbunden war, und pumpte die Luft aus der Kugel, so dass dort ein Vakuum entstand. In diesem Augenblick begann sein Gegner eine Reihe von grässlichen Schmerzen zu verspüren, deren Herkunft er sich nicht zu erklären vermochte.«
    »Ist er daran gestorben?«
    »Das sind Feinheiten, vielleicht wollte man nicht so weit gehen. Worauf es ankommt, ist, dass man mit der Magie auch über Distanzen operieren kann, und das ist es, was Guaita und Co. mit mir machen.«
    Mehr wollte Boullan mir nicht sagen, aber Diana, die ihm zugehört hatte, sah ihn voller Verehrung an.
     
    * * *
     
    Im geeigneten Augenblick hatte Bataille auf mein Drängen ein schönes Kapitel über die Präsenz der Juden in den Freimaurersekten eingefügt, wobei er bis zu den Okkultisten des siebzehnten Jahrhunderts zurückging und die Existenz von fünfhunderttausend jüdischen Freimaurern anprangerte, die sich klandestin neben den offiziellen Logen formiert hatten, so dass ihre Logen keine Namen, sondern nur Ziffern trugen.
    Wir kamen zur rechten Zeit. Mir scheint, dass gerade in jenen Jahren manche Zeitungen anfingen, einen schönen Ausdruck zu benutzen: Antisemitismus . Wir fügten uns also in eine »offizielle« Strömung ein, das spontane antijüdische Misstrauen wurde zu einer Doktrin, wie das Christentum oder der Idealismus.
    Bei diesen Sitzungen war auch Diana dabei, und als wir die jüdischen Logen benannten, stieß sie mehrmals die Worte »Melchisedek, Melchisedek« hervor. Woran erinnerte sie sich? Sie redete weiter: »Im Rat der Patriarchen… war das Erkennungszeichen der jüdischen Freimaurer… eine silberne Halskette mit einem goldenen Täfelchen… es stellte die Gesetzestafeln dar… das mosaischen Gesetz…«
    Die Idee war gut, und so trafen sich unsere Juden im Tempel des Melchisedek, um Erkennungszeichen zu verabreden, Losungsworte, Grüße und Schwüre, die irgendwie jüdisch klingen mussten, wie Grazzin Gaizim, Javan Abbadon, Bamachec Bamearach, Adonai Bego Galchol . Natürlich taten sie in ihren Logen nichts anderes, als die Heilige Römische Kirche und den üblichen Adonai zu bedrohen.
    So befriedigte Taxil (gedeckt von Bataille) einerseits seine katholischen Auftraggeber und vermied es andererseits, seine jüdischen Gläubiger zu verärgern. Obwohl er sie jetzt hätte auszahlen können, hatte er doch in den ersten fünf Jahren dreihunderttausend Francs an Tantiemen (netto) realisiert, von denen unter anderem sechzigtausend an mich gingen.
     
    * * *
     
    Seit 1894, 32 scheint mir, sprachen die Zeitungen von nichts anderem als von einem Hauptmann des Heeres, einem gewissen Alfred Dreyfus, 18 der militärische Informationen an die preußische Botschaft verkauft hatte. Und wie es der Zufall wollte, war der Kerl auch noch Jude. Sofort stürzte sich Drumont auf den Fall Dreyfus, und ich regte an, dass auch die Hefte des Diable du XIXe siècle mit erstaunlichen Enthüllungen beitragen sollten. Aber Taxil meinte, bei Geschichten über militärische Spionage sollte man sich lieber nicht einmischen.
    Erst später begriff ich, was er gemeint hatte: Über den jüdischen Beitrag zur Freimaurerei zu sprechen war

Weitere Kostenlose Bücher