Die historischen Romane
eines, aber Dreyfus ins Spiel zu bringen hätte geheißen zu insinuieren (oder zu enthüllen), dass Dreyfus außer Jude auch Freimaurer war, und das wäre kein kluger Schachzug gewesen, denn da die Freimaurerei besonders in der Armee prosperierte, waren wahrscheinlich viele hohe Offiziere, die Dreyfus vor Gericht stellen wollten, ebenfalls Freimaurer.
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Im übrigen fehlte es uns nicht an Themen, die wir ausbeuten konnten, und hinsichtlich des Publikums, das wir uns geschaffen hatten, waren unsere Karten besser als die von Drumont.
Eines Tages, etwa ein Jahr nach dem Beginn der Serie Le Diable , sagte Taxil zu uns: »Letztlich stammt doch alles, was in Le Diable erscheint, von Dr. Bataille, und warum sollten wir dem vertrauen? Wir bräuchten eine zum Katholizismus bekehrte Ex-Palladistin, die uns die verborgensten Geheimnisse der Sekte enthüllt. Und außerdem, hat man jemals einen schönen Roman ohne eine Frau gesehen? Die Sophia Sapho haben wir in einem negativen Licht präsentiert, sie kann die Sympathie der katholischen Leser nicht gewinnen, auch wenn sie konvertieren würde. Wir bräuchten eine, die auf Anhieb liebenswert ist, wenn auch noch Satanistin, als wäre ihr Gesicht von der bevorstehenden Konversion gleichsam schon erleuchtet, eine naive Palladistin, die von der Sekte umgarnt worden ist, aber sich nach und nach von ihr befreit, um in die Arme der Religion ihrer Väter zurückzukehren.«
»Diana«, sagte ich spontan. »Diana ist gleichsam lebendes Bild und Inbegriff dessen, was eine bekehrte Sünderin sein kann, ist sie doch fast auf Kommando mal die eine und mal die andere.«
So trat Diana in Heft 89 des Diable in Erscheinung.
Eingeführt wurde sie von Bataille, aber um ihren Auftritt glaubwürdiger zu machen, schrieb sie ihm sogleich einen Brief, in dem sie sich unzufrieden mit der Art ihrer Präsentation zeigte und sogar das Bild kritisierte, das im Stil der Diable -Serie von ihr veröffentlicht worden war. Ich muss zugeben, dass Dianas Porträt eher maskulin aussah, und so boten wir sofort ein weiblicheres Bild von ihr an, das von einem Zeichner gemacht worden war, der sie in ihrer Pariser Unterkunft aufgesucht hatte.
Diana debütierte mit der Zeitschrift Le Palladium régéneré et libre , die sich als Organ sezessionistischer Palladisten vorstellte, welche den Mut hatten, den Luzifer-Kult bis in seine kleinsten Details zu beschreiben, auch bis zu den blasphemischen Ausdrücken, die in seinen Riten verwendet wurden. Ihr Abscheu vor dem noch praktizierten Palladismus war so offenkundig, dass ein gewisser Kanonikus Mustel in seiner Revue Catholique von Dianas palladistischer Dissidenz als einer Vorstufe zur Konversion sprach. Diana bedankte sich, indem sie Mustel zwei Hundert-Francs-Noten für seine Armen schickte, und Mustel forderte seine Leser auf, für Dianas Bekehrung zu beten.
Ich schwöre, dass wir diesen Mustel weder erfunden noch bezahlt hatten, aber es sah ganz so als, als befolge er eine von uns geschriebene Regieanweisung. Und zusammen mit seiner Revue engagierte sich auch die Wochenzeitschrift La Semaine Réligieuse , hinter der Msgr. Fava, der Bischof von Grenoble, stand.
Im Juni 1895, wenn ich mich recht entsinne, konvertierte Diana zum Katholizismus, und im Verlauf von sechs Monaten veröffentlichte sie, immer in Fortsetzungsfolgen, ihre Mémoires d’une ex-palladiste . Wer die Hefte des Palladium régéneré abonniert hatte (das natürlich jetzt sein Erscheinen einstellte), konnte zum Abonnement der Mémoires wechseln oder sein Geld zurückbekommen. Ich habe den Eindruck, dass die Leser, abgesehen von einigen Fanatikern, den Frontwechsel akzeptierten. Im Grunde erzählte die konvertierte Diana ebenso phantastische Geschichten wie die Sünderin Diana, und dies war es, was das Publikum wollte. Das war ja auch Taxils Grundgedanke: Es macht keinen Unterschied, ob man die Liebschaften von Papst Pius IX. mit seinen Haushälterinnen oder die homosexuellen Riten einer freimaurerischen Satanistensekte schildert. Die Leute wollen Verbotenes lesen, basta.
Und verbotene Dinge versprach Diana: »Ich werde schreiben, um alles bekannt zu machen: was in den palladistischen Zirkeln geschehen ist und was ich nach Maßgabe meiner Kräfte verhindert habe, was ich stets verachtet habe und was ich für gut und richtig hielt. Das Publikum wird sich selber ein Urteil bilden…«
Tapfere Diana. Wir hatten einen Mythos kreiert. Sie wusste nichts davon, sie lebte im Rausch der
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