Die historischen Romane
Drogen, die wir ihr verabreichten, um sie ruhig zu halten, und gehorchte nur unseren Liebkosungen – mein Gott, nein, nur denen der beiden!
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Ich durchlebe erneut Momente großer Erregung. Die engelgleiche bekehrte Diana wurde zum Ziel der Begeisterung und Liebe von Pfarrern und Bischöfen, Familienmüttern und reuigen Sündern. Das Magazin Pèlerin berichtete, eine gewisse schwerkranke Louise sei zur Pilgerfahrt nach Lourdes unter dem Schutze Dianas zugelassen und wundersamerweise geheilt worden. La Croix , die größte katholische Zeitung, schrieb: »Wir haben soeben die Druckfahnen des ersten Kapitels der Memoiren einer Ex-Palladistin gelesen, deren Publikation Miss Vaughan dieser Tage beginnt, und wir sind noch immer von einer unsäglichen Emotion erfüllt. Wie bewundernswert ist die Gnade Gottes in den Seelen, die sich ihm hingeben…« Ein Msgr. Lazzareschi, Delegierter des Heiligen Stuhls beim Zentralkomitee der italienischen Anti-Freimaurer-Union, ließ zur Feier der Bekehrung Dianas eine dreitägige Danksagung in der Kirche des Heiligen Herzens in Rom zelebrieren, und eine Hymne auf Jeanne d’Arc, die Diana zugeschrieben wurde (aber es war eine Arie aus einer Operette, die ein Freund von Taxil für einen muselmanischen Sultan oder Kalifen geschrieben hatte) wurde bei den antifreimaurerischen Festlichkeiten des Römischen Komitees aufgeführt und auch in einigen Kirchen gesungen.
Auch diesmal, als hätten wir es erfunden, kam Diana eine mystische Karmeliterin aus Lisieux zu Hilfe, die trotz ihrer jungen Jahre im Geruch der Heiligkeit stand. Diese Schwester Teresa vom Jesuskind und vom Heiligen Antlitz, die ein Exemplar der Memoiren der bekehrten Diana erhalten hatte, war von der Geschichte so tief gerührt, dass sie Diana als Figur in ein von ihr für ihre Mitschwestern geschriebenes Theaterstück namens Der Triumph der Demut einfügte, in dem auch Jeanne d’Arc auftrat. Und ein Bild von sich als Jeanne d’Arc gekleidet schickte sie an Diana.
Während Dianas Memoiren in mehrere Sprachen übersetzt wurden, beglückwünschte Kardinalvikar Parocchi sie zu ihrer Konversion, die er als einen »großartigen Triumph der Gnade« bezeichnete, der apostolische Sekretär Msgr. Vincenzo Sardi schrieb, die Vorsehung habe Diana erlaubt, jener ruchlosen Sekte anzugehören, damit sie sie besser zertreten könne, und das Jesuitenorgan Civiltà cattolica erklärte, dass Miss Diana Vaughan, »aus der Finsternis ans göttliche Licht gerufen, ihre Erfahrung nun in den Dienst der Kirche stellt mit Publikationen, die an Exaktheit und Nützlichkeit ihresgleichen suchen«.
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Ich sah Boullan immer öfter in Auteuil. Was für Beziehungen hatte er zu Diana? Manchmal, wenn ich unvermutet in Auteuil auftauchte, überraschte ich sie Arm in Arm, wobei Diana mit verzückter Miene zur Decke sah. Aber vielleicht war sie ja in ihren zweiten Zustand eingetreten, hatte gerade gebeichtet und genoss ihre Reinigung. Verdächtiger schienen mir ihre Beziehungen zu Taxil. Einmal überraschte ich sie halb entkleidet auf dem Sofa in seinen Armen, während sein Gesicht blauviolett angelaufen war. Sehr gut, sagte ich mir, jemand muss ja die fleischlichen Gelüste der »bösen« Diana befriedigen, und ich würde dieser Jemand nicht sein wollen. Schlimm genug der Gedanke, fleischliche Beziehungen mit einer Frau zu haben, und wie dann erst mit einer Verrückten.
Wenn ich bei der »guten« Diana bin, legt sie jungfräulich ihren Kopf auf meine Schulter und fleht mich schluchzend an, ihr die Absolution zu erteilen. Die Wärme dieses Kopfes an meiner Wange und dieser Atem, der nach Buße riecht, lassen mich leicht erschauern – weshalb ich mich sofort zurückziehe und Diana auffordere, vor irgendeinem Heiligenbildnis niederzuknien und um Vergebung zu bitten.
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In den palladistischen Kreisen (haben die wirklich existiert? – viele anonyme Briefe schienen es zu beweisen, auch weil man nur von etwas zu reden braucht, um es existieren zu lassen) wurden dunkle Drohungen gegen die Verräterin Diana ausgestoßen. Und inzwischen war etwas geschehen, was sich meiner Erinnerung entzieht. Mir kommt auf die Zunge zu sagen: der Tod des Abbé Boullan. Doch ich erinnere mich vage, dass ich ihn auch in den letzten Jahren stets an der Seite Dianas sah.
Ich verlange zuviel von meinem Gedächtnis. Ich muss mich ausruhen.
23.
Zwölf gut verbrachte Jahre
Aus den Aufzeichnungen vom 15. und 16. April 1897
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