Die historischen Romane
dichten Wolke fühle, das Getränk, das man mir zu Beginn gegeben hat, enthielt sicher eine Droge, ich kann mich nicht mehr kontrolliert bewegen und sehe alles wie durch einen rötlichen Nebelschleier. Und in diesem Nebel sehe ich, wie Diana, immer noch nackt, aber ohne die kleine Maske, vom Altar herabsteigt, während die Menge der Rasenden, ohne ihr wüstes Treiben zu unterbrechen, ihr Bestes tut, um sie durchzulassen. Sie kommt auf mich zu.
Entsetzt weiche ich zurück, erschrocken vor dem Gedanken, auch ich könnte mich so tierisch verhalten wie diese Masse Verrückter, aber ich stoße an eine Säule, Diana erreicht mich, steht keuchend vor mir – o mein Gott, mir zittert die Feder, mir wird schwindlig, Tränen schießen mir in die Augen, und heulend vor Ekel (damals wie jetzt), unfähig sogar zu schreien, weil sie mir etwas in den Mund gestopft hat, was nicht mein ist, fühle ich mich zu Boden sinken, die Gerüche betäuben mich, dieser Körper, der sich mit dem meinen zu vereinigen sucht, versetzt mich in eine präagonale Erregung, und dämonisiert wie eine Hysterikerin der Salpêtrière berühre ich (mit meinen Händen, als ob ich es wollte! ) jenes fremde Fleisch, befühle eine seiner Wunden mit der Neugier eines Chirurgen, flehe diese Hexe an, von mir abzulassen, beiße sie, um mich zu wehren, und sie fordert mich auf, es noch einmal zu tun, ich drehe den Kopf nach hinten und denke an Dr. Tissot, ich weiß, dass diese Ergüsse zum Abmagern meines ganzen Körpers führen, zu fahler Totenblässe meines Gesichts, zu vernebelter Sicht und erregten Träumen, zu Heiserkeit und schmerzenden Augäpfeln, zu mephitischer Invasion roter Flecken in meinem Gesicht, zum Erbrechen kalkweißer Materie, zu rasendem Herzklopfen – und schließlich, mit der Syphilis, zur Erblindung.
Und während ich schon nichts mehr sehe, verspüre ich auf einmal die quälendste, unsäglichste und unerträglichste Empfindung meines Lebens, als sprudelte alles Blut meiner Adern plötzlich aus einer Wunde in jedem meiner bis zum Zerreißen gespannten Glieder, aus der Nase, den Ohren, den Fingerspitzen, sogar aus dem Anus, Hilfe, Hilfe, ich glaube zu verstehen, was der Tod ist, vor dem jedes lebende Wesen flieht, auch wenn es ihn sucht aufgrund des widernatürlichen Triebes, die eigene Brut zu vermehren…
Ich kann nicht mehr weiterschreiben, das ist kein Erinnern mehr, das ist neuerliches Erleben, und die Erfahrung ist unerträglich, ich möchte erneut das Gedächtnis verlieren…
* * *
Es ist, als erwachte ich aus einer Ohnmacht, Boullan sitzt neben mir und hält Diana an der Hand, die wieder in ihren Mantel gehüllt ist. Er sagt mir, dass vor der Tür eine Kutsche wartet, ich solle Diana nach Hause bringen, sie sei ganz erschöpft. Sie zittert und murmelt unverständliche Worte.
Boullan ist ungewöhnlich beflissen, und zuerst denke ich, er will etwas wiedergutmachen, schließlich war er es, der mich in diese widerliche Geschichte hineingezogen hat. Doch als ich ihm sage, er könne gehen, ich würde mich um Diana kümmern, besteht er darauf, uns zu begleiten, und erinnert mich daran, dass auch er in Auteuil wohnt. Es klingt, als wäre er eifersüchtig. Um ihn zu provozieren sage ich, dass ich nicht nach Auteuil fahre, sondern anderswohin, und dass ich Diana zu einem guten Freund bringen werde.
Er erbleicht, als raubte ich ihm eine Beute, die ihm gehört.
»Das spielt keine Rolle«, sagt er, »ich komme mit, Diana braucht Hilfe.«
Beim Einsteigen gebe ich dem Kutscher ohne nachzudenken meine Adresse in der Rue Maître-Albert, als hätte ich beschlossen, dass Diana von jetzt an aus Auteuil zu verschwinden habe. Boullan sieht mich an, ohne zu begreifen, aber er schweigt, steigt ebenfalls ein und ergreift Dianas Hand.
Wir sprechen während der ganzen Fahrt kein Wort, ich führe die beiden in mein Appartement, lege Diana aufs Bett, fasse sie an der Hand, und zum ersten Mal nach dem, was stumm zwischen uns geschehen ist, spreche ich zu ihr. »Warum, warum?« rufe ich laut.
Boullan versucht sich einzumischen, aber ich stoße ihn so heftig gegen die Wand, dass er zu Boden sinkt – erst jetzt fällt mir auf, wie schwach und kränklich dieser Dämon ist, ich bin ein Herkules im Vergleich zu ihm.
Diana windet sich, ihr Mantel geht auf, ich ertrage es nicht, ihren Busen wiederzusehen und versuche, sie wieder zu bedecken, dabei verfängt sich meine Hand an der Halskette mit ihrem Medaillon, in dem kurzen Gerangel reißt die Kette, und
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