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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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dass Satanismus und Luziferianismus oder Palladismus dieselben Ziele und dieselbe reinigende Kraft hätten.
    Ich ließ ungern zu, dass Diana aus dem Hause ging, aber ich musste ihr eine Erleichterung verschaffen.
     
    * * *
     
    Finde Boullan im vertraulichen Gespräch mit Diana. Er sagt gerade: »Hat es dir gestern gefallen?«
    Was ist gestern geschehen?
    Er fährt fort: »Gut, morgen abend muss ich erneut eine feierliche Messe in einer geweihten Kirche in Passy zelebrieren. Ein wunderbarer Abend, der 21. März, Frühlingsäquinoktium, das Datum ist reich an okkulten Bedeutungen. Aber wenn du bereit bist zu kommen, muss ich dich spirituell vorbereiten, und zwar jetzt und allein, in der Beichte.«
    Ich ging hinaus, und Boullan blieb mehr als eine Stunde mit ihr allein. Als er mich schließlich zurückrief, sagte er, Diana werde übermorgen abend in die Kirche von Passy gehen, aber sie wolle, dass ich sie begleite.
    »Ja, Monsieur l’Abbé«, sagte sie mit ungewöhnlich glänzenden Augen und geröteten Wangen, »ich bitte Sie darum.«
    Ich hätte ablehnen sollen, aber ich war neugierig geworden und wollte nicht in Boullans Augen als Frömmler erscheinen.
     
    * * *
     
    Ich schreibe und zittere, die Hand bewegt sich fast von allein über das Papier, ich rufe mir das Geschehene nicht mehr in Erinnerung, ich erlebe es wieder, es ist, als erzählte ich etwas, das in diesem Augenblick gerade geschieht…
    Es war der Abend des 21. März. Sie, Capitaine, haben Ihr Tagebuch am 24. März begonnen und haben geschrieben, ich hätte am 22. März das Gedächtnis verloren. Wenn also etwas Schreckliches geschehen ist, dann muss es am Abend des 21. gewesen sein.
    Ich versuche zu rekonstruieren, aber es kostet mich Mühe, ich fürchte, ich habe Fieber, mir brennt die Stirn.
    Als ich Diana in Auteuil abgeholt habe, gebe ich dem Kutscher eine bestimmte Adresse. Er sieht mich schräg an, als misstraute er einem Kunden wie mir, trotz meines Priestergewandes, aber als ich ihm ein gutes Trinkgeld verspreche, fährt er los, ohne ein Wort zu sagen. Wir entfernen uns immer weiter vom Zentrum und nähern uns der Peripherie über Straßen, die immer dunkler werden, bis wir in eine schmale Gasse einbiegen, die von kleinen verlassenen Häusern gesäumt ist und als Sackgasse vor der halbzerfallenen Fassade einer alten Kapelle endet.
    Wir steigen aus, und der Kutscher scheint rasch wieder fort zu wollen, so rasch, dass er, während ich nach dem Bezahlen noch in der Tasche krame, um ihm einen Extra-Franc zu geben, ungeduldig ausruft: »Lassen Sie nur, Monsieur l’Abbé, trotzdem danke«, um auf das Trinkgeld zu verzichten und so schnell wie möglich davonzufahren.
    »Es ist kalt, ich habe Angst«, sagt Diana und drängt sich an mich. Ich zucke zurück, aber im selben Augenblick, während ich ihren Arm unter dem Kleid fühle, wird mir bewusst, dass sie seltsam bekleidet ist: Sie trägt einen Kapuzenmantel, der sie von Kopf bis Fuß einhüllt, so dass man sie in dieser Dunkelheit für einen Mönch halten könnte, einen von jenen, die in den Romanen im gotischen Stil, die zu Beginn dieses Jahrhunderts Mode wurden, in den Kellergewölben der Klöster auftreten. Ich habe sie noch nie so gekleidet gesehen, aber ich muss zugeben, mir ist auch nie in den Sinn gekommen, ihren Koffer zu inspizieren, den sie aus Dr. Du Mauriers Klinik mitgebracht hatte.
    Die schmale Pforte der Kapelle steht halb offen. Wir treten ein, das einzige Kirchenschiff wird von einer Reihe Kerzen erleuchtet, die auf dem Altar brennen, und von glühenden Kohlebecken auf Dreifüßen, die den Altar im Halbkreis einer kleinen Apsis umgeben. Der Altar ist mit einem dunklen Tuch bedeckt, ähnlich denen, die man bei Beerdigungen verwendet. Auf ihm, anstelle des Kruzifixes oder einer Ikone, steht eine Statue des Teufels in Gestalt eines Ziegenbocks mit einem vorgereckten, überdimensionalen, mindestens dreißig Zentimeter langen Phallus. Die Kerzen sind nicht weiß oder elfenbeinfarben, sondern schwarz. Aus einem Tabernakel unter der Statue blicken drei Totenschädel.
    »Davon hat Abbé Boullan gesprochen«, raunt mir Diana zu. »Das sind die Reliquien der drei Magier aus dem Morgenland, der wahren: Theobens, Menser und Saïr. Sie waren durch das Erlöschen eines fallenden Sterns gewarnt worden und zogen aus Palästina fort, um nicht Zeugen der Geburt Christi zu werden.«
    In einem Halbkreis vor dem Altar steht eine Reihe jugendlicher Gestalten, rechts Jünglinge, links Mädchen. Das Alter

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