Die historischen Romane
beider Gruppen ist noch so zart, dass man kaum Unterschiede zwischen den beiden Geschlechtern erkennen würde und meinen könnte, dieser anmutige Halbkreis werde von graziösen Androgynen gebildet, deren Unterschiede auch noch dadurch verschleiert werden, dass alle auf dem Kopf einen Kranz verwelkter Rosen tragen, wäre da nicht der Umstand, dass die Knaben alle nackt sind und sich durch ihr Glied auszeichnen, das sie einander ostentativ zeigen, während die Mädchen kurze Hemden aus einem fast durchsichtigen Stoff tragen, der ihre kleinen Brüste und die herbe Kurve der Hüfte umschmeichelt, ohne irgendetwas zu verbergen. Sie sind alle sehr schön, auch wenn die Gesichter mehr Bosheit als Unschuld ausdrücken, aber das steigert sicher noch ihren Zauber – und ich muss gestehen (kuriose Situation: ich, der Geistliche, beichte Ihnen, Capitaine!), dass ich, der ich angesichts einer inzwischen reifen Frau wenn nicht Schrecken, so doch Furcht verspüre, mich nur mit Mühe dem Reiz einer noch adoleszenten Kreatur entziehen kann.
Diese einzigartigen Messdiener halten harzreiche Zweige an die Kohlebecken, lassen sie aufflammen und entzünden damit die Räucherfässchen, aus denen sie dichten Rauch sowie einen stechenden Geruch exotischer Drogen aufsteigen lassen. Andere dieser nackten Epheben verteilen kleine Kelche, und einer davon wird auch mir gebracht. »Trinken Sie, Monsieur«, sagt ein Jüngling mit dreistem Blick. »Das hilft, sich in den Geist des Ritus hineinzuversetzen.«
Ich habe getrunken, und nun sehe und höre ich alles, als geschähe es in einem Nebel.
Der Zelebrant tritt ein, und ich erkenne Boullan. Er trägt ein weißes Messgewand mit einem eingestickten roten Planeten, auf dem ein umgekehrtes Kruzifix steht. Im Schnittpunkt der beiden Kreuzbalken sieht man das Bild eines schwarzen Ziegenbocks, der sich auf den Hinterbeinen aufrichtet und die Hörner vorstreckt. Doch bei der ersten Bewegung des Abbé öffnet sich das Messgewand wie zufällig oder aus Versehen, tatsächlich aber aus perverser Koketterie, und zeigt einen Phallus von beträchtlicher Größe, wie ich ihn niemals bei einem so schlaffen Wesen wie Boullan erwartet hätte, erigiert wohl durch eine im voraus eingenommene Droge. Die Beine stecken in dunklen, aber ganz durchsichtigen Strümpfen wie jene (leider inzwischen im Charivari und anderen Magazinen abgebildeten, also auch für Abbés und Kaplane sichtbaren, selbst wenn sie es nicht wollten) der Tänzerin Celeste Mogador, wenn sie den Cancan im Bal Mabille tanzt.
Der Zelebrant hat den Gläubigen den Rücken gekehrt und seine Messe auf Latein begonnen, während die Androgynen ihm respondieren.
»In nomine Astaroth et Asmodei et Beelzébuth. Introibo ad altare Satanae.«
»Qui laetificat cupiditatem nostram.«
»Lucifer omnipotens, emitte tenebram tuam et afflige inimicos nostros.«
»Ostende nobis, Domine Satanas, potentiam tuam, et exaudi luxuriam meam.«
»Et blasphemia mea ad te veniat.«
Nun zieht Boullan ein Kreuz hervor, legt es sich unter die Füße und tritt mehrmals darauf, wobei er ausruft: »O Kreuz, ich zertrete dich zum Gedenken an und als Rache für die antiken Meister des Tempels. Ich zerstampfe dich, denn du warst das Werkzeug der falschen Heiligsprechung des falschen Gottes Jesus Christus.«
In diesem Augenblick, ohne mich vorzuwarnen und wie aus plötzlicher Eingebung (aber sicher aufgrund von Instruktionen, die Boullan ihr gestern während der Beichte gegeben hat), geht Diana geradeaus zwischen den beiden Reihen der Gläubigen hindurch und stellt sich direkt vor den Altar. Dann dreht sie sich zu den Gläubigen (oder Ungläubigen, wie man’s nimmt), streift sich mit feierlicher Geste Kapuze und Mantel ab und steht splitternackt da. Mir fehlen die Worte, Capitaine Simonini, aber es ist, als sähe ich sie entschleiert wie Isis, das Gesicht nur mit einer kleinen schwarzen Maske bedeckt.
Etwas wie ein Schluckauf überkommt mich, als ich zum ersten Mal eine Frau in der ganzen unerträglichen Pracht ihres entblößten Leibes sehe. Ihr rotblondes Haar, das sie sonst keusch in Knoten zusammengeflochten trägt, fällt freigelassen schamlos an ihr herunter bis auf die Gesäßbacken, deren perfekte Rundung es liebkost. Bemerkenswert an dieser heidnischen Statue ist der Hochmut des feinen Halses, der sich wie eine Säule auf Schultern von marmornem Weiß erhebt, während die Brüste (zum ersten Mal sehe ich die Brustwarzen einer Frau!) sich fest und selbstbewusst mit
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