Die historischen Romane
auch er unter Gott weiß welchen Umständen...«
»Oder der Teufel weiß es«, murmelte, sich bekreuzigend und von allen nachgeahmt, Ubertin.
»Oder der Teufel weiß es«, bestätigte Hugo mit höhnischem Grinsen. »Dann kam ein anderer König, der nach achtzehn Monaten ebenfalls starb, und wenige Tage später starb auch sein neugeborener Erbe, woraufhin sein Bruder den Thron bestieg...«
»Und das war genau jener Philipp V., der, als er noch Graf von Poitiers gewesen war, die aus Carpentras geflohenen Kardinäle zusammengeholt hatte«, sagte Michael.
»Genau«, nickte Hugo. »Er steckte sie zum Konklave ins Dominikanerkonvent zu Lyon, wobei er schwor, ihre Unversehrtheit zu wahren und sie nicht als Gefangene zu behandeln. Doch kaum hatten sie sich in seine Hände begeben, ließ er sie nicht nur einschließen (wie es dem Brauch entsprochen hätte), sondern verringerte täglich ihre Kost, bis sie eine Entscheidung getroffen hätten – nicht ohne jedem einzelnen zu versprechen, ihn in seinen Ansprüchen auf den Papstthron zu unterstützen. So ging es zwei Jahre lang, bis er König von Frankreich wurde und die Kardinäle, zermürbt durch ihre Gefangenschaft, inzwischen auf schmalste Kost gesetzt, schon fürchtend, dass sie ihr restliches Leben im Konklave verbringen müssten, sich schließlich einigten und jenen mehr als siebzigjährigen Gnom auf den Heiligen Stuhl setzten...«
»Gnom ist sehr gut gesagt«, lachte Ubertin. »Verwachsen und schwindsüchtig sieht er aus, aber er ist zäher und gerissener als man denkt.«
»Der Sohn eines Schusters«, brummte einer der Brüder.
»Christus war der Sohn eines Zimmermanns«, wies Ubertin den Zwischenrufer zurecht. »Darum geht es nicht. Johannes ist ein gebildeter Mann, er hat in Montpellier die Rechte studiert und in Paris Medizin; er hat es immer bestens verstanden, seine Beziehungen spielen zu lassen, um Bischofssitze und den Kardinalshut zu bekommen, wenn es ihm opportun erschien, und als Berater Roberts des Weisen in Neapel verblüffte er viele mit seinem Scharfsinn. Auch als er Bischof von Avignon war, gab er Philipp dem Schönen immer die richtigen Ratschläge (richtig im Sinne jenes finsteren Unternehmens) zur Ruinierung der Templer. Und nach seiner Wahl entging er erfolgreich einem Komplott von Kardinälen, die ihn umbringen wollten... Aber nicht darüber wollte ich reden, ich sprach von seiner Geschicklichkeit im Brechen von Schwüren, ohne des Meineids bezichtigt werden zu können. Vor seiner Wahl (und um gewählt zu werden) hatte er dem Kardinal Orsini versprochen, den Sitz des Papstes wieder nach Rom zu verlegen, und zur Bekräftigung hatte er bei der geweihten Hostie geschworen, er werde, wenn er sein Versprechen nicht halte, nie wieder ein Pferd oder einen Maulesel besteigen. Und wisst ihr, was er dann tat, der geriebene Fuchs? Nachdem er sich in Lyon hatte krönen lassen (gegen den Willen des Königs, der nämlich gewollt hatte, dass die Krönung erst in Avignon stattfinde), fuhr er nach Avignon auf der Rhône zu Schiff!«
Die Brüder lachten im Chor. Der Papst war ein Eidbrecher, ohne Zweifel, aber man konnte ihm einen gewissen Einfallsreichtum nicht absprechen.
»Er ist ein schamloser Lügner«, stellte William fest. »Hat Hugo nicht gesagt, dass er gar nicht erst versuchte, seinen Betrug zu verbergen? Hast du mir nicht erzählt, Ubertin, was er zu Orsini sagte, als er in Avignon ankam?«
»Gewiss doch«, fuhr Ubertin eifrig fort. »Er sagte, der Himmel Frankreichs sei so schön, dass er gar nicht wisse, wieso er in eine Stadt voller alter Ruinen wie Rom gehen sollte, und da der Papst als Nachfolger Petri schließlich die Macht zu binden und zu lösen habe, werde er diese Macht nun ausüben und genau da bleiben, wo er sich gerade befinde und wo es ihm so gut gefalle. Als Orsini ihm daraufhin ins Gedächtnis zu rufen versuchte, dass es seine Pflicht sei, auf dem vatikanischen Hügel zu leben, verwies er ihn schroff auf seine Gehorsamspflicht und beendete die Diskussion... Aber die Geschichte mit dem Schwur geht noch weiter: Als Johannes das Schiff verließ, hätte er traditionsgemäß auf einem weißen Pferd, gefolgt von den Kardinälen auf schwarzen Pferden, zum Bischofspalast reiten müssen. Doch er ging zu Fuß, und ich glaube, er hat tatsächlich bis heute nie wieder ein Pferd bestiegen... Und von solch einem Mann erwartest du, lieber Michael, dass er die Versprechen hält, die er dir gibt?«
Michael schwieg lange. Dann sagte er: »Ich kann
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