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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Legation am Eintreffen war. Die Minoriten erhoben sich und gingen hinaus, um den Männern des Papstes entgegenzutreten.

 
     
    Vierter Tag
NONA
    Worin der Kardinal del Poggetto, der Inquisitor Bernard Gui und die übrigen Herren aus Avignon eintreffen und jeder von ihnen etwas anderes tut.
     
    M änner, die einander seit Langem kannten, Männer, die viel voneinander gehört hatten, ohne sich jemals persönlich begegnet zu sein, begrüßten einander im Hof mit scheinbarer Freundlichkeit. An der Seite des Abtes stand Kardinal Bertrand del Poggetto, sichtlich ein großer Herr, mit den Mächtigen dieser Welt auf vertrautem Fuße, als wäre er selber gleichsam ein zweiter Papst, und verteilte nach allen Seiten huldvoll lächelnde Blicke, insbesondere an die Minoriten, denen er gute Verständigung für die Gespräche des folgenden Tages wünschte und ausdrücklich auch die Friedens- und Segenswünsche (er benutzte bewusst diese den Franziskanern teure Formel) von Papst Johannes XXII. überbrachte.
    »Brav, brav, mein Sohn!« sagte er leutselig zu mir, als William die Freundlichkeit hatte, mich ihm als seinen Gehilfen und Schüler vorzustellen. Er fragte mich, ob ich Bologna kenne, rühmte die Schönheiten jener Stadt sowie ihre glänzende Universität und lud mich ein, sie eines Tages zu besuchen, anstatt zurückzukehren in meine Heimat, zu jenen Leuten, wie er sagte, die unserem Herrn Papst so viel Kummer bereiteten. Dann streckte er mir seinen Ring hin zum Kuss, während sein Lächeln sich bereits einem anderen zugewandt hatte.
    Auch mein Interesse wandte sich freilich gleich einem anderen zu, von dem ich in jenen Tagen schon viel gehört hatte und dessen Name stets aufhorchen ließ: Bernard Gui, wie ihn die Franzosen nannten, oder Bernhardus Guidonis oder Bernardo Guido, wie er von anderen genannt wurde.
    Er war ein ungefähr siebzigjähriger Dominikaner von hagerer, aber straffer und hoher Gestalt. Am meisten fesselten mich seine grauen und kalten Augen, die ihr Gegenüber ausdruckslos anstarren konnten, aber auch häufig vielsagend aufblitzten und seine Gedanken sowohl zu verbergen als auch im rechten Moment gezielt auszudrücken vermochten.
    Im allgemeinen Begrüßungsaustausch war er als einziger weder huldvoll noch herzlich, sondern stets – und auch das nur mit größter Zurückhaltung – höflich. Als er Ubertin erblickte, den er wohl bereits kannte, trat er ihm mit gemessener Achtung entgegen, fixierte ihn aber auf eine Weise, die mich beunruhigte. Als er Michael von Cesena begrüßte, spielte ein schwer definierbares Lächeln um seine Lippen, und ich hörte ihn tonlos murmeln: »Drüben bei uns erwartet man Euch schon lange.« Ein Satz, aus dem ich weder eine Spur von Besorgnis noch einen Schatten von Ironie noch eine Mahnung oder gar einen Befehl herauszuhören vermochte, auch übrigens keinen Schimmer von persönlichem Interesse. Dann stand er vor William, und als er erfuhr, wer sein Gegenüber war, betrachtete er meinen Meister mit erlesener Feindseligkeit; aber nicht etwa, weil sein Blick unwillkürlich seine geheimen Gefühle verraten hätte, dessen war ich mir ganz sicher (wenngleich ich mir durchaus nicht ganz sicher war, ob dieser Mann überhaupt irgendwelche Gefühle hegte), sondern weil er ohne Zweifel wollte , dass William seine Feindseligkeit verspürte. Dieser gab sie ihm denn auch prompt zurück, indem er mit übertrieben herzlichem Lächeln sagte: »Schon lange wollte ich einen Mann kennenlernen, dessen Ruf mir in zahlreichen wichtigen Lebensentscheidungen Lehre und Mahnung gewesen ist.« Eine Begrüßung, die gewiss schmeichlerisch und fast ehrerbietig klingen mochte, wenn man nicht wusste (und Bernard wusste es sehr genau), dass eine der wichtigsten Lebensentscheidungen Williams gerade die Absage an den Beruf des Inquisitors gewesen war. Aus der Art, wie die beiden Männer einander musterten, schloss ich nichts Gutes: Wenn William sein Gegenüber am liebsten in einem kaiserlichen Verlies gesehen hätte, so wäre es Bernard gewiss eine Freude gewesen, sein Gegenüber von einem plötzlichen Schicksal ereilt auf der Stelle tot umfallen zu sehen. Und da Bernard in diesen Tagen über eine Schar Bewaffneter gebot, begann ich um das Leben meines verehrten Meisters zu fürchten.
    Bernard musste vom Abt bereits über die Verbrechen in der Abtei informiert worden sein, denn während er so tat, als hätte er das Gift in Williams Worten nicht wahrgenommen, sagte er gemessen: »Es scheint, dass ich

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