Die historischen Romane
Menschenhaufen vernichtet werden im Untergang ihrer Bosheit. Barbarenheere und Kriegswagen brechen herein allenthalben, um die Länder zu besetzen. In Armenien, im Pontus und in Bithynien fallen die Jünglinge durchs Schwert, die Kinder geraten in Gefangenschaft, die Söhne und Töchter treiben Blutschande. Pisidien, das sich sonnte in seinem Ruhme, wird zu Boden gestreckt, das Schwert schlägt drein in Phönizien, Juda legt Trauer an und bereitet sich vor auf den Tag, da es verdammt wird ob seiner Unreinheit. Gräuel und Trostlosigkeit erheben sich allenthalben, der Antichrist stürmt weiter gen Westen, erobert den Okzident und zerstört die Handelswege, Schwert und Feuer trägt er in seinen Händen und brennt in rasender Flammengewalt. Seine Kraft ist die Lästerung, List seine Hand, Verderben bringt seine Rechte, Finsternis seine Linke. Dies sind die Züge, die ihn auszeichnen: Sein Kopf ist brennendes Feuer, sein rechtes Auge ist blutunterlaufen, sein linkes Auge ist katzengrün und hat zwei Pupillen, seine Lider sind weiß, seine Unterlippe ist wulstig, dünn sind die Schenkel, mächtig die Füße, und er hat einen platten, langgezogenen Daumen!«
»Klingt wie sein Selbstporträt«, flüsterte William grinsend. Eine sehr freche Bemerkung, wirklich, aber ich war ihm dankbar dafür, denn mir wollten gerade die Haare zu Berge stehen. Ich unterdrückte mit Mühe ein Lachen, indem ich die Backen aufblies und die Luft aus den zusammengepressten Lippen fahren ließ. Das ergab einen Laut, den man gut hören konnte in der Stille nach den letzten Worten des Alten, doch glücklicherweise dachten alle, es hätte wohl jemand husten müssen oder aufgeschluchzt oder wäre erschauernd zusammengefahren, und alle hatten vollstes Verständnis dafür.
»In diesem Moment«, fuhr Jorge fort, »versinkt alles in Willkür, die Kinder erheben sich gegen die Eltern, die Gattin sinnt Böses gegen den Gatten, der Gatte zieht die Gattin vor Gericht, die Herren sind unmenschlich zu den Knechten, die Knechte sind ungehorsam gegenüber den Herren, es gibt keine Ehrfurcht mehr vor dem Alter, die Halbwüchsigen wollen bestimmen, die Arbeit erscheint allen nur noch als überflüssige Plackerei, überall erheben sich Lobgesänge auf die Freizügigkeit, auf das Laster und auf die entfesselte Genusssucht. Und es folgen in raschen Wellen Schändungen, Ehebrüche, Meineide, Sünden wider die Natur, und Seuchen, und Wahrsagerei und allerlei Zauber, und fliegende Körper erscheinen am Himmel, und falsche Propheten erheben sich unter den guten Christen, falsche Apostel, Verführer, Schwindler, Betrüger, Hexenmeister und Frauenschänder, Geizige, Meineidige und Fälscher, die Hirten verwandeln sich in Wölfe, die Priester lügen, die Mönche begehren die Dinge der Welt, die Armen scharen sich nicht mehr um ihre Führer, die Mächtigen haben kein Erbarmen mehr, und die Gerechten dulden das Unrecht. Alle Städte werden von Erdbeben heimgesucht, Pest geht durchs Land, Sturmwinde reißen die Erde auf, die Felder sind von Giften verseucht, das Meer sondert schwärzliche Säfte ab, neue und nie gesehene Wunder ereignen sich auf dem Mond, die Sterne verlassen ihre gewohnten Bahnen und andere – unbekannte – zerfurchen den Himmel, Schnee fällt im Sommer und trockene Hitze herrscht im Winter... Und das wird die Endzeit sein und das Ende der Zeiten: Am ersten Tage zur dritten Stunde wird sich eine mächtige Stimme erheben am Firmament, im Norden wird eine purpurne Wolke aufziehen, Blitze und Donner werden ihr folgen und blutiger Regen wird niederprasseln. Am zweiten Tage wird sich die Erde aus ihrer Verankerung reißen, und der Rauch eines großen Feuers wird durch die Tore des Himmels ziehen. Am dritten Tage werden die Schlünde der Erde toben und grollen aus den vier Ecken des Kosmos. Die Zinnen des Firmaments werden sich auftun, Rauchsäulen werden die Luft erfüllen und Schwefelgestank wird herrschen bis zur zehnten Stunde. Frühmorgens am vierten Tage wird die Tiefe zerschmelzen und ein donnernd Getöse ausstoßen, und alle Bauten werden zusammenfallen. Am fünften Tage zur sechsten Stunde wird die Leuchtkraft der Sonne erlöschen, und es wird finster sein auf der Welt bis zum Abend, und dann werden auch der Mond und die Sterne ihr Amt niederlegen. Am sechsten Tage zur vierten Stunde wird sich ein Riss auftun am Firmament von Osten bis Westen, so dass die Engel herabschauen können zur Erde durch den Spalt im Himmel, und alle auf Erden werden die Engel
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