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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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ach so heilige Bruderschaft! Ah, zum...«, William geriet allmählich in Wut. »Dieser Bastard eines Feudalherren, dieser gespreizte Pfau, berühmt geworden durch seine Leichenträgerdienste am toten Aquinaten! Dieser verfressene, aufgeblasene Puter, der nur existiert, weil er so ein talergroßes Glitzerding am Ringfinger trägt! Herrenrasse, arrogante, eingebildet und hochnäsig, wie ihr alle seid, ihr Cluniazenser, schlimmer noch als die weltlichen Fürsten, gräflicher als die Grafen...«
    »Meister!« wagte ich vorwurfsvoll einzuwerfen.
    »Schweig, du kommst aus der gleichen Brut! Ihr seid allesamt keine einfachen Leute, auch keine Kinder einfacher Leute! Wenn euch ein armer Teufel begegnet, nehmt ihr ihn schon mal gnädig auf, aber wir haben’s ja gestern gesehen, ihr zögert nicht, ihn dem weltlichen Arm auszuliefern, wenn er was angestellt hat. Nie aber einen der euren, mag er auch noch so schlimme Verbrechen begangen haben, die eigenen Leute werden immer gedeckt! Abbo ist fähig, den Mörder zu stellen und eigenhändig niederzustechen, in der Krypta vielleicht, um dann seine sterblichen Reste auf die Reliquienschreine zu verteilen – Hauptsache, nichts dringt nach draußen und die Ehre der Abtei bleibt gewahrt! Man stelle sich vor: Ein Franziskaner, ein plebejischer Minorit, der das Gewürm unter diesen heiligen Steinen freilegt! Unmöglich, das muss verhindert werden, das kann dieser Gockel von Abt um keinen Preis zulassen! Vielen Dank, Bruder William, der Kaiser braucht Euch, Ihr habt gesehen, was für einen schönen Ring ich trage, lebt wohl... Aber jetzt ist mein Gegner nicht mehr bloß Abbo, jetzt ist mein Gegner und Herausforderer der ganze Fall, und ich werde diese Abtei nicht verlassen, bevor ich weiß, was hier vorgeht! Abbo will, dass ich morgen früh gehe? Gut, er ist der Herr, aber bis morgen früh muss ich’s wissen. Ich muss.«
    »Ihr müsst? Wer zwingt Euch jetzt noch?«
    »Niemand zwingt uns zu wissen, Adson. Wir müssen einfach. Auch um den Preis, nicht recht zu begreifen.«
    Ich war noch immer verwirrt und betroffen von Williams bösen Worten gegen meinen Orden und seine Äbte, und so versuchte ich, Abbo ein wenig zu rechtfertigen, indem ich eine dritte Hypothese aufstellte – was ich, wie mir schien, nun schon recht gut konnte: »Meister, Ihr habt eine dritte Möglichkeit außer acht gelassen. Wir haben in diesen Tagen bemerkt, und heute Morgen erschien es uns schon ganz klar, nach allem Gemunkel, das wir zuerst von Nicolas und dann in der Kirche aufgeschnappt hatten: Es gibt hier eine Gruppe von italienischen Mönchen, die unzufrieden mit den ausländischen Bibliothekaren sind und dem Abt vorwerfen, er habe die Tradition der Abtei verraten, und soweit ich begriffen habe, verstecken sich diese Mönche hinter dem alten Alinardus, den sie wie ein Banner vor sich hertragen, um ein anderes Regiment der Abtei zu fordern. Das habe ich ganz gut begriffen, denn auch als Novize hat man im Kloster schon oft von solchen Streitigkeiten, Fehden und Machenschaften gehört. Also fürchtet nun Abbo vielleicht, Eure Enthüllungen könnten seinen Gegnern eine Waffe liefern, und will das ganze Problem mit großer Behutsamkeit lösen...«
    »Möglich. Trotzdem bleibt er ein aufgeblasener Puter und wird sich umbringen lassen...«
    »Aber was haltet Ihr von meiner Deduktion?«
    »Das sag ich dir später.«
    Wir waren unterdessen im Kreuzgang. Der Wind blies immer heftiger, es fing bereits zu dunkeln an, obwohl die neunte Stunde erst gerade vergangen war. Uns blieb nur noch wenig Zeit. Zur Vesper würde der Abt gewiss den Mönchen verkünden, dass William kein Recht mehr hatte, überall einzudringen und Fragen zu stellen.
    »Es ist spät«, sagte William, »und wenn man nicht mehr viel Zeit hat, darf man auf keinen Fall die Ruhe verlieren. Wir müssen so handeln, als hätten wir noch eine Ewigkeit vor uns. Ich habe ein Problem zu lösen: wie man ins Finis Africae eindringt. Dort liegt gewiss der Schlüssel zum Ganzen. Außerdem müssen wir jemanden retten, ich habe nur noch nicht entschieden, wen. Und seien wir schließlich darauf gefasst, dass etwas beim Pferdestall geschieht, behalt ihn bitte im Auge... He, sieh mal, was hier plötzlich für ein Gerenne ist...«
    Tatsächlich, der Platz zwischen Kreuzgang und Aedificium war auf einmal ungewöhnlich belebt. Eben erst war ein Novize aus der Wohnung des Abtes gekommen und zum Aedificium gelaufen. Nun kam Nicolas aus der Küche und eilte zum Dormitorium. In

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