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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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einer Ecke sahen wir Aymarus, Petrus und Pacificus eifrig auf Alinardus einreden, als wollten sie ihn zu irgendetwas bewegen.
    Dann fassten sie offenbar einen Beschluss. Aymarus nahm den immer noch zögernden Greis beim Arm und führte ihn zum Kapitelsaal. Sie hatten gerade den Eingang zur Wohnung des Abtes erreicht, da kam Nicolas aus dem Dormitorium und führte Jorge in dieselbe Richtung. Er sah die beiden anderen hineingehen, raunte dem Blinden etwas zu, der schüttelte den Kopf, und sie gingen weiter.
    »Der Abt nimmt die Lage in die Hand...«, murmelte William skeptisch. Aus dem Aedificium kamen immer mehr Mönche, die um diese Zeit im Skriptorium hätten arbeiten sollen, gefolgt von Benno, der uns erblickte und sofort auf uns zueilte, sichtlich voller Besorgnis.
    »Im Skriptorium gärt es«, sprudelte er hervor. »Niemand arbeitet mehr, alle tuscheln aufgeregt miteinander... Was ist los?«
    »Der Teufel ist los«, sagte William seelenruhig. »Seit heute Morgen sind alle Hauptverdächtigen tot. Zuerst waren alle vor dem lasziven, dummen und treulosen Berengar auf der Hut, dann vor dem häresieverdächtigen Cellerar und schließlich vor dem ungeliebten und viel beneideten Bibliothekar. Nun wissen sie nicht mehr, vor wem sie auf der Hut sein sollen, sie brauchen dringend einen Bösewicht oder Sündenbock, und jeder verdächtigt den anderen. Einige haben Angst, wie du zum Beispiel, andere haben beschlossen, jemandem Angst zu machen. Alle seid ihr entschieden zu aufgeregt. Adson, schau immer wieder mal nach dem Pferdestall. Ich gehe jetzt, um mich ein Stündchen hinzulegen.«
    Ich hätte mich wundern sollen: Sich ein Stündchen hinzulegen, wenn einem nur noch wenige Stunden bleiben, das schien nicht gerade die klügste Entscheidung zu sein. Doch inzwischen kannte ich meinen Meister: Je entspannter sein Körper war, desto fieberhafter arbeitete sein Geist.

 
     
    Sechster Tag
VON VESPER BIS KOMPLET
    Worin in kurzen Worten von langen Stunden der Wirrnis berichtet wird.
     
    E s fällt mir schwer zu berichten, was in den folgenden Stunden geschah.
    William war fort. Ich trieb mich in der Nähe des Pferdestalles herum, ohne jedoch etwas Außergewöhnliches zu bemerken. Die Knechte versorgten die Tiere, die etwas unruhig waren wegen des starken Windes, aber sonst war alles ruhig.
    Ich ging zum Vespergottesdienst. Alle saßen bereits auf ihren Plätzen, doch der Abt stellte fest, dass Jorge fehlte. Mit einer Handbewegung hieß er die Mönche warten. Benno solle den Fehlenden suchen. Benno war nicht da. Jemand meinte, er sei wohl gerade dabei, das Skriptorium für die nächtliche Schließung herzurichten. Der Abt erwiderte ärgerlich, es sei doch ausdrücklich festgelegt worden, dass Benno nichts zu verschließen habe, da er die Regeln nicht kenne. Aymarus erhob sich: »Wenn Eure Väterlichkeit erlaubt, gehe ich ihn holen...«
    »Niemand hat dich darum gebeten!« fuhr der Abt ihn schroff an, und Aymarus setzte sich wieder, nicht ohne Pacificus einen vielsagenden Blick zuzuwerfen. Der Abt rief Nicolas, doch der war auch nicht da. Etliche erinnerten ihn daran, dass Nicolas vom Vespergottesdienst dispensiert war, weil er zu dieser Stunde das Abendmahl vorbereiten musste. Abbo tat eine ungehaltene Geste, sichtlich verärgert, dass alle sehen konnten, wie nervös er war.
    »Ich will Jorge hierhaben!« rief er gereizt. »Man gehe ihn suchen! Geh du!« befahl er dem Novizenmeister.
    Jemand wies ihn darauf hin, dass auch Alinardus fehlte. »Das weiß ich«, schnaubte der Abt. »Es geht ihm nicht gut.« Ich saß hinter Petrus von Sant’Albano und hörte, wie er leise, in einem italienischen Dialekt, den ich halbwegs verstand, zu seinem Nachbarn Gunzo von Nola sagte: »Das glaube ich ihm aufs Wort. Vorhin nach dem Gespräch war der arme Alte ganz durcheinander. Abbo verhält sich wie die Hure von Avignon!«
    Die Novizen wurden zunehmend unruhig, sie spürten mit der Feinfühligkeit unwissender Kinder die Spannung, die sich im Chor verbreitete, ganz wie auch ich sie spürte. Es vergingen ein paar lange Augenblicke betretenen Schweigens. Dann befahl der Abt, einige Psalmen zu singen, und nannte aufs Geratewohl drei, die aber nicht in der Regel für Vesper vorgesehen waren. Alle blickten einander an, dann setzten sie sich zurecht und begannen zu beten. Schließlich kam der Novizenmeister zurück, gefolgt von Benno, der gesenkten Hauptes seinen Platz einnahm. Jorge war weder im Skriptorium noch in seiner Zelle zu finden gewesen. Der

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