Die historischen Romane
Liebesbriefe geschrieben, die anderen zugeschrieben worden waren, er hatte praktisch ein Reich konstruiert, das inzwischen niemand besser kannte als er und seine Freunde, aber er studierte noch immer. Er tröstete sich mit dem Gedanken, dass es ja schon eine recht beachtliche Leistung war, überhaupt in Paris zu studieren, wenn man bedachte, dass er in einem Sumpf geboren und zwischen Kühen aufgewachsen war; dann sagte er sich, dass studieren zu gehen für arme Schlucker wie ihn ja auch leichter war als für die Söhne von Herren, die kämpfen lernen mussten, nicht lesen und schreiben ... Mit einem Wort, er fühlte sich nicht ganz wohl in seiner Haut.
Eines Tages wurde ihm klar, dass er inzwischen, einen Monat mehr, einen weniger, sechsundzwanzig Jahre alt sein musste: Da er mit dreizehn von zu Hause fortgegangen war, hatte er sich seit genau dreizehn Jahren nicht mehr dort sehen lassen. Er verspürte ein Gefühl, das wir Heimweh nennen würden, nur dass er selbst, der es noch nie verspürt hatte, nicht wusste, was es war. Daher hielt er es für den Wunsch, seinen Adoptivvater wiederzusehen, und so beschloss er, sich nach Basel zu begeben, wo Friedrich auf der Rückkehr von einem erneuten Italienzug haltgemacht hatte.
Er hatte den Kaiser seit der Geburt von dessen erstem Sohn nicht mehr gesehen. Während er den Brief des Priesters Johannes schrieb und immer wieder umschrieb, hatte Friedrich alles mögliche unternommen, hatte sich wie ein Flussaal von Norden nach Süden bewegt, hatte im Sattel gegessen und geschlafen wie seine barbarischen Ahnen, und seine Residenz war immer dort gewesen, wo er sich gerade befand. Zwei weitere Male war er nach Italien gezogen. Beim zweiten Mal hatte er auf der Rückkehr eine Schmach in Susa erlitten, wo sich die Bürger gegen ihn erhoben und ihn gezwungen hatten, heimlich und verkleidet zu fliehen, während sie Beatrix als Geisel behielten. Später hatten sie sie zwar gehen lassen, ohne ihr ein Haar zu krümmen, aber Friedrich war übel gedemütigt worden und hatte Susa Rache geschworen. Und als er dann wieder in Deutschland war, konnte er sich beileibe nicht ausruhen, sondern musste die deutschen Fürsten besänftigen.
So kam es, dass Baudolino den Kaiser in einer sehr trüben Stimmung vorfand. Er begriff, dass er sich einerseits immer mehr Sorgen über die Gesundheit seines ältesten Sohnes machte, der ebenfalls Friedrich hieß, und andererseits über die Entwicklung in der Lombardei.
»Zugegeben«, räumte er ein, »und das sage ich nur dir: Meine Stadtvögte und Gesandten, meine Steuereinnehmer und Prokuratoren haben nicht nur verlangt, was mir zustand, sondern siebenmal mehr. Für jede Feuerstelle haben sie pro Jahr drei Solidi in alter Münze eingetrieben und für jede Mühle an schiffbaren Gewässern vierundzwanzig alte Denare, den Fischern haben sie ein Drittel des Fangs weggenommen, und wenn einer kinderlos starb, haben sie das Erbe konfisziert. Ich weiß, ich hätte auf die Klagen hören sollen, die mich erreichten, aber ich hatte andere Sorgen ... Und jetzt haben sich die lombardischen Gemeinden, wie es scheint, seit einigen Monaten in einer Liga organisiert, einem antikaiserlichen Städtebund, verstehst du? Und was haben sie als erstes beschlossen? Die Mauern Mailands wieder aufzubauen!«
Dass die italienischen Städte aufsässig und rebellisch waren, war nichts Neues, aber eine Liga, das bedeutete die Errichtung einer anderen Res publica . Gewiss war nicht anzunehmen, dass diese Liga lange halten würde, wenn man bedachte, wie sehr sich die italienischen Städte untereinander hassten, aber auf jeden Fall handelte es sich um einen Schlag, einen vulnus gegen die Ehre des Reiches.
Wer gehörte zu dieser Liga? Gerüchten zufolge hatten sich in einer Abtei unweit von Mailand die Vertreter von Cremona, Mantua, Bergamo, vielleicht auch Piacenza und Parma versammelt, aber das war nicht sicher. Die Gerüchte hörten jedoch nicht auf, man sprach auch von Venedig, Verona, Padua, Vicenza, Treviso, Ferrara und Bologna. »Stell dir vor, Bologna!« rief Friedrich wütend, während er vor Baudolino auf und ab stapfte. »Du erinnerst dich doch noch? Dank meiner Güte können ihre verdammten Magister mit ihren verdammten Studenten so viel Geld machen, wie sie wollen, ohne mir oder dem Papst darüber Rechenschaft abzulegen, und jetzt beteiligen sie sich an dieser Liga! Kann man's noch schändlicher treiben? Fehlt nur noch Pavia!«
»Oder Lodi«, warf Baudolino ein, um etwas ganz
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