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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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voller Schlangen seien, und wenn er reif sei, stecke man die Bäume in Brand, damit die Schlangen herunterkämen und sich in ihre Löcher verkröchen; alsdann trete man zu den Bäumen und schüttele sie, so dass der Pfeffer von den Zweigen falle, und dann werde er zubereitet, aber niemand wisse, wie.
    »Können wir jetzt auch den Sambatyon reintun?« fragte Solomon. »Rein damit«, sagte der Poet, »dadurch wird klar, dass die zehn verstreuten Stämme jenseits des Flusses leben. Oder besser noch, erwähnen wir sie ausdrücklich, dann trägt der Umstand, dass Friedrich auch die zehn Stämme Israels wiederfinden kann, noch mehr zu seinem Ruhme bei.« Abdul merkte an, dass der Sambatyon auch deshalb benötigt werde, weil er das unüberwindliche Hindernis darstellte, das alles Streben vereitele und die Begierde anstachele, sprich: die Eifersucht. Jemand schlug vor, auch einen unterirdischen Bach voller Edelsteine zu erwähnen, und Baudolino meinte, Abdul könne ihn ruhig hinschreiben, aber er, Baudolino, wolle damit nichts zu tun haben, aus Angst, noch einmal das Wort Topas zu hören. Unter Berufung auf Plinius und Isidor von Sevilla beschlossen sie statt dessen, in jenes Land auch die Salamander zu tun, das sind vierbeinige Schlangen, die nur im Feuer leben.
    »Es genügt, dass es wahr ist, dann tun wir sie rein«, sagte Baudolino. »Hauptsache, wir erzählen hier keine Fabeln.«
     
    Der Brief erging sich noch eine Weile über die Tugenden, die in jenem Lande herrschten: Jeder Pilger werde aufs wärmste empfangen, es gebe keinerlei Arme, es gebe weder Räuber noch Habgierige noch Schmeichler. Gleich danach versicherte der Priester, er sei überzeugt, dass ihm niemand an Reichtum und an Zahl seiner Untertanen gleichkomme. Um eine Probe dieses Reichtums zu geben, die übrigens auch Sindbad in Sarandib gesehen hatte, beschrieb er sodann, wie er gegen seine Feinde in den Krieg zu ziehen pflegte, nämlich indem er anstelle von Fahnen dreizehn hohe, reich mit Juwelen besetzte Kreuze vor sich herziehen ließ, jedes auf einem Wagen und jeder Wagen gefolgt von zehntausend Reitern und hunderttausend Fußsoldaten. Zog er dagegen in Friedenszeiten aus, so wurde ihm nur ein schlichtes hölzernes Kreuz vorangetragen, zum Gedenken an die Passion des Herrn, sowie ein goldenes Gefäß voller Erde zur Mahnung, dass wir aus Staub sind und wieder zu Staub zerfallen werden. Damit jedoch niemand vergaß, dass der Vorbeiziehende immerhin der König der Könige war, wurde ihm auch ein silbernes Gefäß voller Gold vorangetragen. »Wenn du da jetzt wieder Topase rein tust, haue ich dir das Ding über den Schädel«, warnte Baudolino. Daraufhin ließ Abdul sie für diesmal beiseite.
    »Aber schreib noch, dass es dort keine Ehebrecher gibt und dass dort niemand lügen darf, und wer es doch tut, stirbt auf der Stelle, will sagen, es ist so, als ob er stürbe, denn er wird ausgestoßen und niemand kümmert sich mehr um ihn.«
    »Aber ich habe schon geschrieben, dass es dort keine Laster gibt und keine Räuber ...«
    »Egal, schreib's noch mal, das Reich des Priesters Johannes muss als ein Ort erscheinen, wo es den Christen gelingt, Gottes Gebote zu befolgen, während es dem Papst nicht gelungen ist, bei seinen Kindern etwas auch nur annähernd Ähnliches zu erreichen, im Gegenteil, er lügt selber, sogar noch mehr als die anderen. Im übrigen, je mehr du darauf insistierst, dass dort niemand lügt, desto einleuchtender wird, dass alles, was Johannes sagt, die reinste Wahrheit ist.«
    Weiter schrieb Johannes, dass er jedes Jahr mit einem großen Heer das Grab des Propheten Daniel im zerstörten Babylon besuche, dass man in seinem Lande Fische fange, aus deren Blut die Purpurfarbe gewonnen werde, und dass er seine Herrschaft auch über die Amazonen und die Brahmanen ausübe. Das mit den Brahmanen war Boron nützlich erschienen, weil die Brahmanen von Alexander dem Großen gesehen worden waren, als dieser an die Ränder des allerfernsten Ostens gelangt war. Ihre Präsenz bewies daher, dass das Reich des Priesters Johannes sogar das Reich Alexanders geschluckt hatte.
    Nun blieb nichts weiter mehr zu tun, als seinen Palast und seinen magischen Spiegel zu beschreiben, und über diesen hatte der Poet schon an den vorangegangenen Abenden alles Nötige gesagt. Er rief es nur kurz in Erinnerung, wobei er Abdul ins Ohr flüsterte, damit Baudolino nicht schon wieder von Topasen und Beryllen reden hörte, denn es war klar, dass sie diesmal nicht fehlen

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