Die historischen Romane
anschickte, eine kleine Loggia zu bauen, mit roh behauenen Steinen, roh zugeschnittenen Balken und Kapitellen, die von einem wilden Tier gestaltet schienen. Auch sie hatten eine Art Flaschenzug konstruiert, um das Material emporzuhieven, und bei seinem Anblick fand Baudolino, dass verglichen mit diesen die anderen vorhin große Meister waren. Schließlich hörte er auf, Vergleiche anzustellen, als er kurz darauf andere sah, die so bauten, wie Kinder es tun, wenn sie mit nasser Erde batzen, und sie legten gerade letzte Hand – es waren eher letzte Fußtritte – an ein Bauwerk, das drei anderen glich, die daneben standen, alle aus Lehm und unförmigen Steinen mit Dächern aus schlecht zusammengepresstem Stroh, so dass eine Art Gasse mit rasch hingeschluderten Bauten entstand, als trügen die Arbeiter einen Wettstreit aus, wer zuerst fertig war, ohne sich im geringsten um die Regeln des Handwerks zu kümmern.
Als er jedoch tiefer in die unfertigen Windungen dieser noch unbestimmten Anlage eindrang, entdeckte er da und dort auch gut gebaute, geradwinklige Mauern, ordentlich ausgerichtete Fassaden und Bastionen, die, obwohl noch unvollendet, einen massiven und durchaus Schutz gewährenden Eindruck machten. Aus alledem war zu entnehmen, dass offenbar Leute verschiedener Herkunft und Geschicklichkeit zum Bau dieser Stadt zusammengekommen waren, und wenn viele sicher noch Neulinge in diesem Handwerk waren, Bauern, die Häuser bauten, wie sie ihr Leben lang Hundehütten und Ziegenställe gebaut hatten, mussten andere doch schon eine gewisse Erfahrung haben.
Während er sich in dieser Vielfalt von Tätigkeiten zu orientieren versuchte, entdeckte Baudolino auch eine Vielfalt von Dialekten – an denen zu erkennen war, dass jenes Häuflein armseliger Hütten von Dörflern aus Solero gebaut wurde und jener krumme Turm von Leuten aus dem Montferrat, dass es Pavesaner waren, die jenen suppigen Mörtelbrei anrührten, und Holzfäller aus der Palea, die jene Bretter sägten. Wann immer er jedoch jemanden Befehle erteilen hörte oder einen Trupp sah, der ordentlich arbeitete, hörte er genuesischen Dialekt.
»Bin ich hier mitten in den Turmbau zu Babel hineingeraten«, fragte sich Baudolino, »oder in Abduls Hibernia, wo zweiundsiebzig Weise die Sprache Adams rekonstruierten, indem sie alle Idiome zusammenrührten, wie man Wasser und Lehm oder Pech und Teer zusammenrührt? Aber hier sprechen sie noch nicht die Sprache Adams, und obwohl sie alle zusammen bestimmt zweiundsiebzig Sprachen sprechen, Menschen so unterschiedlicher Herkunft, dass sie sich gewöhnlich gegenseitig an die Gurgel fahren, sind sie hier alle in Liebe und Eintracht am Werk.«
Er näherte sich einem Trupp, der gerade dabei war, einem Bau mit gekonnten Griffen ein Dachgebälk aufzusetzen, als handle es sich um eine Abteikirche, wobei die Arbeiter eine große Winde benutzten, die nicht von Menschenhand gedreht wurde, sondern von einem Zugpferd, das aber kein Joch mit einem Halsgurt trug, durch den ihm die Kehle eingeschnürt würde, wie es noch in manchen Gegenden üblich war, sondern ein bequemes Kummetjoch, so dass es mit voller Kraft ziehen konnte. Die Arbeiter gaben eindeutig genuesische Laute von sich, und Baudolino sprach sie sofort in ihrer Sprache an, wenn auch nicht so perfekt, dass sie ihn für einen der ihren hielten.
»Was macht ihr hier Schönes?« fragte er, um ein Gespräch anzuknüpfen. Woraufhin einer von ihnen böse aufblickte und sagte, sie machten eine Maschine, um sich den Pimmel zu kratzen. Alle prusteten los, und da klar war, dass sie über ihn lachten, erwiderte Baudolino (der es schon leid war, den unbewaffneten Händler auf einem Maultier spielen zu müssen, während er im Gepäck, säuberlich eingerollt in eine Decke, sein Schwert als Hofmann hatte) im Dialekt der Frascheta, der ihm nach all den Jahren spontan auf die Lippen kam, er habe keinen Bedarf an machinae , da ihm gewöhnlich der Pimmel, den wohlerzogene Menschen Schwanz nennten, von jenen Huren gekratzt würde, die ihre Mütter seien. Die Genueser verstanden zwar nicht genau, was er sagte, errieten aber die Absicht. Sie ließen ihre Arbeit liegen, griffen sich einen Stein oder einen Knüppel und stellten sich im Halbkreis um das Maultier. Zum Glück näherten sich in diesem Moment andere Leute, darunter einer, der wie ein Ritter aussah, und der sagte zu den Genuesern in einer Mischung aus Latein, Provenzalisch und wer weiß was, der Pilgersmann spreche wie einer aus dieser
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