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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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Von mystischem Furor und kriegerischer Verzücktheit ergriffen, warfen sich die Alexandriner wie wilde Tiere den Kaiserlichen entgegen – und dermaßen ungeordnet, gegen alle Regeln der Kriegskunst, dass der Bischof von Speyer und seine Reiter verwirrt stehen blieben und zurückwichen, und es wichen auch jene zurück, welche die Türme mit den genuesischen Armbrustschützen schoben, so dass diese genau am Rand jenes schicksalhaften Dickichts stehen blieben. Für die Alexandriner war es eine Einladung zum Tanz: Sofort schlüpfte Anselmo Medico mit seinen Piacentinern in den Tunnel, der sich nun wirklich als ein Segen erwies, und tauchte im Rücken der Genueser mit einer Gruppe verwegener Kämpfer auf, die lange Stangen trugen, auf die sie brennende Pechballen gepflanzt hatten. Die genuesischen Türme loderten auf wie trockenes Holz im Kamin. Die Armbrustschützen versuchten sich durch Sprünge zu retten, aber sobald sie den Boden berührten, fielen die Alexandriner mit Knüppeln über sie her, einer der Türme neigte sich zur Seite und brach Funken stiebend zusammen inmitten der Reiterei des Bischofs, die Pferde brachen in Panik aus, so dass die Reihen der Kaiserlichen noch mehr durcheinandergerieten, und wer nicht zu Pferde saß, trug seinen Teil zur Verwirrung dadurch bei, dass er zwischen den Reitern umherlief und schrie, Sankt Peter komme, Sankt Peter höchstpersönlich, und vielleicht auch Sankt Paulus, und jemand hatte auch den heiligen Sebastian und sogar den heiligen Tarsicius gesehen – kurzum, der ganze christliche Olymp hatte sich eingestellt, um dieser zutiefst verabscheuenswerten Stadt zur Seite zu springen.
    In der Nacht überbrachte jemand dem kaiserlichen Lager, das bereits in tiefer Trauer war, den Leichnam des Bischofs von Speyer, den auf der Flucht ein Pfeil in den Rücken getroffen hatte. Friedrich ließ Baudolino zu sich rufen und fragte ihn, was er mit dieser Geschichte zu tun habe und was er darüber wisse, und Baudolino hätte in den Boden versinken mögen, denn an jenem Abend waren viele tapfere milites gefallen, darunter auch der Anselmo Medico aus Piacenza, und wackere Sergenten und arme Fußsoldaten, und alles wegen seines schönen Planes – der doch alles hätte beenden sollen, ohne dass irgendwem auch nur ein Haar gekrümmt worden wäre. Er warf sich Friedrich zu Füßen und gestand ihm die ganze Wahrheit: dass er es für gut befunden hatte, ihm einen glaubhaften Vorwand zum Abbruch der Belagerung zu liefern, und statt dessen war nun alles ganz anders gelaufen.
    »Ich bin ein elender Nichtsnutz, Vater«, sagte er, »ich kann kein Blut sehen und wollte mir die Hände nicht schmutzig machen, ich wollte weitere Tote vermeiden, und schau, was für ein Gemetzel ich angerichtet habe, all diese Toten habe ich auf dem Gewissen!«
    »Wirklich ein Jammer, dass dein Plan durchkreuzt worden ist!« antwortete Friedrich, der eher betrübt als zornig schien. »Denn – aber sag das niemandem weiter – diesen Vorwand hätte ich gut gebrauchen können. Ich habe neue Nachrichten bekommen: Die Liga rührt sich, vielleicht werden wir schon morgen an zwei Fronten kämpfen müssen. Dein Sankt Peter hätte die Soldaten überzeugt, aber jetzt sind zu viele gestorben, und meine Barone wollen Rache. Sie sagen, es sei der richtige Zeitpunkt, denen in der Stadt eine Lektion zu erteilen, man habe sie ja nur anzusehen brauchen, als sie herauskamen: Sie waren magerer als wir und boten wirklich die letzten Kräfte auf.«
    Es war inzwischen Karsamstag. Die Luft war lau, die Felder schmückten sich mit Blumen, die Bäume schlugen aus. Alle waren traurig wie bei einem Begräbnis, die Kaiserlichen, weil jeder sagte, es sei jetzt Zeit zum Angriff, aber keiner angreifen wollte, und die Alexandriner, weil sie besonders nach der Anstrengung des letzten Ausfalls den Kopf im siebenten Himmel trugen und den Bauch in Kniehöhe zwischen den Beinen. So geschah es, dass sich der produktive Geist Baudolinos wieder an die Arbeit machte.
    Er ritt aufs neue zur Mauer und fand den Trotti, den Guasco und die anderen Anführer ziemlich niedergeschlagen. Auch sie wussten von der Ankunft der Liga, aber sie hatten aus sicherer Quelle gehört, dass die verschiedenen Kommunen sehr geteilter Meinung über das weitere Vorgehen waren und nicht wussten, ob sie Friedrich wirklich angreifen sollten.
     
    »Denn es ist eine Sache – beachte das gut, Kyrios Niketas, dies ist eine sehr subtile Unterscheidung, die zu begreifen die Byzantiner

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