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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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vielleicht nicht subtil genug sind –, es ist eine Sache, sich zu verteidigen, wenn der Kaiser einen belagert, und eine andere, dem Kaiser aus eigenem Antrieb eine Schlacht zu liefern. Anders gesagt, wenn dein Vater dich mit dem Gürtel verprügelt, hast du das Recht zu versuchen, ihm den Gürtel aus der Hand zu reißen – und das ist Verteidigung –, aber wenn du die Hand gegen deinen Vater erhebst, dann ist das Vatermord. Und wenn du es einmal entschieden am Respekt gegenüber dem Kaiser des Heiligen Römischen Reiches hast fehlen lassen, was bleibt dir dann noch, um die italienischen Kommunen zusammenzuhalten? Verstehst du, sie hatten zwar gerade die Truppen Friedrichs in der Luft zerfetzt, aber sie akzeptierten ihn weiter als ihren einzigen Herrn, oder anders gesagt, sie wollten ihn nicht zwischen den Füßen haben, aber wehe, wenn es ihn nicht mehr gäbe: sie würden einander die Köpfe einschlagen, ohne überhaupt noch zu wissen, ob sie Gutes oder Böses taten, denn das Kriterium zur Unterscheidung von Gut und Böse war letzten Endes der Kaiser.«
     
    »Daher wär's das beste«, meinte Guasco, »wenn Friedrich jetzt die Belagerung Alexandrias abbrechen würde, und ich versichere dir, die Kommunen würden ihn nach Pavia durchlassen.« Aber wie konnte man ihm ermöglichen, sein Gesicht zu wahren? Mit einem Zeichen vom Himmel hatte man's schon versucht, die Alexandriner hatten einen schönen Erfolg erzielt, aber nun waren sie wieder am gleichen Punkt wie zuvor. Vielleicht sei die Idee mit Sankt Peter ein bisschen zu ambitioniert gewesen, gab Baudolino zu bedenken, und außerdem sei eine Vision oder Erscheinung, wie immer man's nennen wolle, etwas Wirkliches und zugleich Unwirkliches, und am nächsten Tag sei es leicht, sie abzuleugnen. Und schließlich, wozu die Heiligen bemühen? Diese Söldner da seien Leute, die nicht mal an Gottvater glaubten, das einzige, woran sie glaubten, sei ein voller Bauch und ein steifer Schwanz ...
    »Mal angenommen«, sagte da der alte Gagliaudo mit jener Weisheit, die – wie jeder weiß – der Herrgott nur den Seinen verleiht, »mal angenommen, die Kaiserlichen fangen eine von unseren Kühen und finden sie so voller Getreide, dass der Bauch fast platzt. Dann werden der Barbarossa und seine Leute doch denken, wir hätten noch so viel zu essen, dass wir noch ewig und in sculasculorum standhalten könnten, und dann sind es die Herren selbst und die Soldaten, die sagen, lasst uns hier abziehen, sonst sind wir nächstes Ostern noch hier ...«
    »So eine dumme Idee hab ich noch nie gehört«, sagte der Guasco, und der Trotti gab ihm recht, indem er sich mit dem Finger an die Stirn tippte, um anzudeuten, dass der Alte wohl nicht mehr alle beisammenhatte. »Und außerdem, wenn wir noch eine lebendige Kuh hätten, würden wir sie sogar roh verspeisen«, fügte der Boidi hinzu.
    »Nicht weil er mein Vater ist, aber die Idee kommt mir gar nicht so abwegig vor«, sagte Baudolino. »Vielleicht habt ihr's ja vergessen, aber eine Kuh haben wir noch, nämlich genau die alte Rosina von meinem Vater. Die Frage ist nur, ob wir, auch wenn wir alle Winkel der Stadt durchkämmen, noch genügend Getreide zusammenkriegen, um das Vieh bis zum Platzen zu mästen.«
    »Die Frage ist, ob ich dir das Vieh dafür gebe, du Vieh!« empörte sich der alte Gagliaudo. »Denn eins ist doch klar: um zu kapieren, dass die Kuh voller Getreide ist, müssen die Kaiserlichen sie nicht nur finden, sondern sie schlachten, und meine liebe Rosina, die haben wir nie geschlachtet, weil sie für mich und für deine Mutter wie eine Tochter ist, die uns der Herr nie geschenkt hat, und darum wird niemand die Rosina berühren. Lieber schicke ich dich zum Schlachter, nachdem du dich dreißig Jahre lang nicht zu Hause hast blicken lassen, während sie immer brav da war, ohne Flausen zu machen.«
    Guasco und die anderen, die eben noch gemeint hatten, die Idee sei einem kranken Hirn entsprungen, waren nun plötzlich, kaum dass Gagliaudo sich gegen sie aussprach, zutiefst überzeugt, dass sie das Beste war, was man sich vorstellen konnte, und redeten sich die Münder fusselig, um dem Alten klarzumachen, dass man angesichts des Schicksals der Stadt auch die eigene Kuh opfern müsse, und dass es unsinnig sei, wenn er sage, lieber würde er Baudolino hinschicken, denn das Bauchaufschlitzen bei Baudolino würde niemanden überzeugen, während das Bauchaufschlitzen bei der Kuh den Barbarossa tatsächlich dazu bringen könne, die

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