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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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die man braucht, um Amen zu sagen, war Rosina vom Leben zum Tode gebracht. Gagliaudo vergoss echte Tränen, und so kam die Szene allen Anwesenden ganz echt vor.
    Als dem Tier der Bauch aufgeschnitten worden war, geschah, was geschehen musste: Das ganze Körnermahl war so eilig hinuntergeschlungen worden, dass es jetzt auf die Erde prasselte, als ob es noch unversehrt wäre, und allen schien es ganz ohne Zweifel Getreide zu sein. Die Verblüffung war so groß, dass sie den Appetit überwog, und jedenfalls hatte der Hunger den Belagerern ein elementares Urteilsvermögen nicht genommen: Dass in einer belagerten Stadt auch die Kühe so unmäßig prassen konnten, verstieß gegen jedes menschliche und göttliche Gesetz. Ein Sergent unter den hungrig Zuschauenden konnte seinen spontanen Trieb unterdrücken und befand, dass dieses Wunder den Kommandanten zur Kenntnis gebracht werden müsse. Kurz darauf wurde die Nachricht dem Kaiser überbracht, bei dem Baudolino scheinbar gelassen, aber innerlich zitternd vor Spannung auf das Ereignis gewartet hatte.
    Rosinas Kadaver, ein Leintuch mit den herausgeprasselten Körnern und Gagliaudo in Fesseln wurden vor Friedrich gebracht. Tot und zerteilt erschien die Kuh jetzt weder fett noch mager, und das einzige, was man sah, war das ganze Zeug in und außerhalb ihres Bauches. Ein Zeichen, das Friedrich nicht unterschätzte, weshalb er den Bauern als erstes fragte: »Wer bist du, woher kommst du, wem gehört diese Kuh?« Und obwohl Gagliaudo kein Wort verstanden hatte, antwortete er im besten Idiom der Frascheta: Ich weiß nicht, ich war's nicht, ich hab nix damit zu tun, ich bin ganz zufällig da vorbeigekommen, die Kuh seh ich zum ersten Mal, ja, wenn du's mir nicht gesagt hättest, hätt ich gar nicht gewusst, dass es eine Kuh ist. Natürlich verstand auch Friedrich kein Wort, und so wandte er sich an Baudolino: »Du kennst doch diese tierische Sprache, sag mir, was er sagt.«
    Szene zwischen Baudolino und Gagliaudo, Übersetzung: »Er sagt, er wisse nichts von der Kuh, ein reicher Bauer in der Stadt habe sie ihm gegeben, damit er sie auf die Weide bringe, und das sei alles.«
    »Aber zum Teufel, die Kuh ist voller Getreide, frag ihn, wie das kommt?«
    »Er sagt, dass alle Kühe, nachdem sie gefressen haben und bevor sie verdaut haben, voll von dem sind, was sie gefressen haben.«
    »Sag ihm, er soll hier nicht den Dummen spielen, sonst lasse ich ihn hängen, gleich hier an diesem Baum! Will er uns weismachen, in diesem Kuhdorf, in diesem Gauner- und Banditennest geben sie den Kühen immer Getreide zu fressen?«
    Gagliaudo: »Per mancansa d'fen e per mancansa d'paja, a mantunuma er bestii con dra granaja ... E d'iarbion.«
    Baudolino: »Er sagt, nein, nur jetzt, wo sie kein Heu haben wegen der Belagerung. Und es sei auch nicht alles Getreide, es seien auch trockene Arbioni dabei.«
    »Arbioni?«
    »Erbsen.«
    »Teufel nochmal, ich werfe ihn meinen Falken vor, meinen Hunden! Was soll das heißen, dass sie kein Heu haben, aber Getreide und Erbsen?«
    »Er sagt, sie hätten in der Stadt alle Kühe der Gegend versammelt, und so könnten sie jetzt Schnitzel essen bis zum Weltuntergang, aber die Kühe hätten das ganze Heu gefressen, und wenn die Leute Fleisch kriegen könnten, würden sie kein Brot mehr essen und Erbsen schon gar nicht, und darum verfütterten sie einen Teil des Getreides, das sie noch hätten, an die Kühe. Er sagt, bei ihnen sei es nicht so wie hier bei uns, wo wir alles hätten, sie müssten sich ihre Vorräte gut einteilen, weil sie arme Belagerte seien. Und er sagt, eben deswegen hätten sie ihm die Kuh zum Auf-die-Weide-Rausbringen gegeben, damit sie ein bisschen frisches Gras in den Magen kriegt, weil immer nur dieses Körnerzeug, davon werde sie krank und kriege die Drehsucht.«
    »Baudolino, glaubst du, was dieser Gauner da sagt?«
    »Ich übersetze getreu, was er sagt. Nach dem, was ich aus meiner Kindheit in Erinnerung habe, bin ich nicht sicher, ob Kühe gern Körner fressen, aber diese hier war zweifellos voll davon, und der Augenschein lässt sich nicht leugnen.«
    Friedrich strich sich den Bart, kniff die Augen zusammen und sah Gagliaudo scharf an. »Baudolino«, sagte er dann, »mir ist, als hätte ich diesen Mann schon mal irgendwo gesehen, aber es muss schon ziemlich lange her sein. Kennst du ihn nicht?«
    »Mein Vater, ich kenne hier mehr oder weniger jeden. Aber es geht jetzt nicht darum, wer dieser Mann ist, sondern ob es wirklich stimmt, dass sie in

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