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Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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selig zu beschäftigen. Sodann erteilte er ihm einige neue Aufträge, die Baudolino fast die ganzen nächsten zwölf Monate lang hin und her über die Alpen führten.
    Im Mai Anno Domini 1176 erfuhr Baudolino, dass Friedrich sich in Como aufhielt, und wollte dort zu ihm stoßen. Während der Reise wurde ihm gesagt, das kaiserliche Heer sei inzwischen auf dem Weg nach Pavia, und so bog er nach Süden ab, um ihm auf halber Strecke zu begegnen.
    Er begegnete ihm Ende Mai am Ufer der Olona, nicht weit von der Festung Legnano, wo wenige Stunden zuvor die Heere des Kaisers und der Liga versehentlich zusammengestoßen waren, ohne dass eines der beiden irgendwie Lust gehabt hätte, dem anderen eine Schlacht zu liefern, wozu sich nun aber beide gezwungen sahen, um ihre Ehre nicht zu verlieren.
    Kaum war Baudolino am Rande des Schlachtfelds angelangt, sah er einen Fußsoldaten, der mit einer langen Pike auf ihn zugerannt kam. Er gab seinem Pferd die Sporen, als wollte er ihn niederreiten, in der Hoffnung, ihn zu erschrecken. Der Soldat erschrak in der Tat, fiel auf den Rücken und ließ die Pike fahren. Baudolino sprang vom Pferd und griff sich die Pike, da begann der andere zu schreien, er werde ihn umbringen, stand auf und zog einen Dolch aus dem Gürtel. Allerdings schrie er im Dialekt von Lodi. Baudolino hatte sich an den Gedanken gewöhnt, dass die Lodianer auf Seiten des Kaisers standen, und so rief er, während er sich den offensichtlich Verrückten mit der Pike vom Leibe hielt: »Was machst du denn, du Idiot, ich bin doch auch mit dem Kaiser!« Darauf der andere: »Eben, deswegen töte ich dich!« Da fiel Baudolino ein, dass Lodi inzwischen zur Liga übergewechselt war, und er fragte sich: Was mache ich, töte ich ihn, weil die Pike länger ist als sein Dolch? Aber ich habe noch nie jemanden getötet!
    Nach kurzem Zögern stieß er ihm die Pike so zwischen die Beine, dass der Mann rücklings zu Boden fiel, und setzte ihm die Waffe an die Kehle. »Nicht töten, dominus , ich habe sieben Kinder, und wenn ich weg bin, müssen sie gleich morgen verhungern«, rief der Lodianer. »Lass mich laufen, was kann ich den Deinen schon Böses tun, du hast doch gesehen, dass ich mich übertölpeln lasse wie ein Tropf!«
    »Dass du ein Tropf bist, sieht man von weitem, aber wenn ich dich mit einer Waffe in der Hand rumlaufen lasse, kannst du durchaus etwas anrichten. Lass deine Hose runter!«
    »Meine Hose?«
    »Jawohl, ich schenke dir dein Leben, aber ich lasse dich mit den Eiern im Wind rumlaufen. Dann will ich sehen, ob du die Stirn hast, wieder in die Schlacht zurückzukehren, oder ob du nicht lieber gleich zu deinen verhungerten Kindern läufst.«
    Der Mann streifte sich die Hose ab und rannte so schnell er konnte über die Felder davon, nicht so sehr aus Scham, sondern weil er fürchtete, ein feindlicher Reiter könnte ihn von hinten sehen, könnte denken, er zeige ihm aus Verachtung das blanke Gesäß, und könnte ihn nach Türkenart pfählen.
    Baudolino war froh, dass er niemanden hatte töten müssen, aber nun kam ihm ein Reiter entgegengesprengt, der wie ein Franzose gekleidet und daher sichtlich kein Lombarde war. So entschloss er sich, seine Haut teuer zu verkaufen, und zog das Schwert. Der Reiter kam an seine Seite galoppiert und rief: »Was machst du denn, Blödmann, siehst du nicht, dass wir's euch Kaiserlichen heute mal richtig gezeigt haben? Geh nach Hause, da hast du's besser!« Rief's und galoppierte weiter, ohne Händel zu suchen.
    Baudolino saß wieder auf und fragte sich, wohin er jetzt reiten sollte, denn von dieser Schlacht begriff er nun wirklich gar nichts, und bisher hatte er nur Belagerungen erlebt, bei denen man klar wusste, wer auf dieser und wer auf der anderen Seite stand.
    Er ritt um eine Baumgruppe herum und erblickte mitten in der Ebene etwas, das er noch nie gesehen hatte: einen großen offenen Karren, rot und weiß angemalt, mit einer langen Fahnenstange, die mittendrauf gepflanzt war, und einem Altar, umringt von Bewaffneten mit langen Trompeten, die denen der Engel glichen und offenbar dazu dienten, die Truppen der Liga zum Kampf anzufeuern. » Oh basta là! « knurrte Baudolino mit einer in seiner Heimat geläufigen Formel, die so viel hieß wie »Oh, jetzt reicht's aber!« oder »O nein, nicht auch das noch!« Für einen Moment glaubte er, ins Land des Priesters Johannes geraten zu sein oder zumindest nach Sarandib, wo man mit einem von Elefanten gezogenen Karren in die Schlacht zog, aber der

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