Die historischen Romane
der Stadt all diese Kühe und all dieses Getreide haben. Denn, wenn du meine ehrliche Meinung hören willst, sie könnten ja auch versucht haben, dich zu täuschen, sie könnten die letzte Kuh mit dem letzten Getreide vollgestopft haben.«
»Schöner Gedanke, Baudolino. Darauf wäre ich wirklich nicht gekommen.«
»Heilige Majestät«, meldete sich da der Markgraf von Montferrat zu Wort, »halten wir diese Dörfler nicht für intelligenter, als sie sind. Mir scheint, wir haben hier den klaren Beweis vor Augen, dass die Stadt besser mit Vorräten ausgerüstet ist, als wir angenommen hatten.«
»O ja, o ja!« sagten alle versammelten Herren wie mit einer Stimme, woraus Baudolino schloss, dass er noch niemals so viele Leute gesehen hatte, die alle gemeinsam wider besseres Wissen sprachen, wobei jeder wusste, dass die anderen wider besseres Wissen sprachen. Aber das hieß eben auch, dass diese Belagerung mittlerweile für alle unerträglich geworden war.
»So scheint auch mir, dass mir scheinen muss«, sagte Friedrich diplomatisch. »Das feindliche Heer bedrängt uns im Rücken. Wenn wir dieses Roboreto einnehmen würden, kämen wir trotzdem nicht umhin, der anderen Armee entgegenzutreten. Wir können auch nicht daran denken, die Stadt zu erobern und uns in ihren Mauern zu verschanzen, die so schlecht gebaut sind, dass unsere Würde dabei zu Schaden käme. Deshalb, meine Herren, haben wir folgendes beschlossen: Wir überlassen diese elende Ortschaft ihren elenden Kuhhirten und bereiten uns auf weit Größeres vor. Man erteile die entsprechenden Befehle.« Sprach's und sagte dann zu Baudolino, während er das kaiserliche Zelt verließ: »Schick den Alten nach Hause. Er ist sicher ein Lügner, aber wenn ich alle Lügner hängen müsste, wärst du schon lange nicht mehr auf dieser Welt.«
»Geh nach Hause, Vater, es hat geklappt«, murmelte Baudolino zwischen den Zähnen, während er Gagliaudo die Fesseln abnahm. »Und sag dem Trotti, er soll mich heute Abend an der gewohnten Stelle erwarten.«
Friedrich hatte jetzt Eile. Es gab keine Zelte mehr abzubauen in jenem Müll- und Gerümpelhaufen, der das Lager der Belagerer inzwischen war. Er ließ die Männer antreten und befahl, alles zu verbrennen. Um Mitternacht war die Vorhut bereits unterwegs zu den Feldern von Marengo. Dahinter im Osten, zu Füßen der Hügel von Tortona, blinkten Feuer: Dort wartete das Heer der Liga.
Nachdem er sich vom Kaiser die Erlaubnis geholt hatte, ritt Baudolino in Richtung Sale, und an einer Wegkreuzung stieß er auf Trotti und zwei Konsuln aus Cremona, die dort auf ihn warteten. Gemeinsam ritten sie knapp eine Meile, bis sie auf einen Vorposten der Liga trafen. Trotti stellte Baudolino zwei Befehlshabern der kommunalen Truppen vor, Ezzelino da Romano und Anselmo da Dovara. Es folgte eine kurze Besprechung, die mit einem Händedruck besiegelt wurde. Nach kurzer Umarmung mit Trotti (War 'ne schöne Geschichte, danke! Nein, ich habe dir zu danken!), ritt Baudolino rasch zu Friedrich zurück, der ihn am Rand einer Lichtung erwartete. »Alles geregelt, mein Vater. Sie werden nicht angreifen. Sie haben weder die Lust noch den Mut dazu. Wir werden durchziehen, und sie werden in dir ihren Herrn begrüßen.«
»Bis zum nächsten Zusammenstoß«, murmelte Friedrich. »Aber das Heer ist müde, je schneller wir in Pavia sind, desto besser. Also los, gehen wir.«
Es waren die ersten Stunden des Ostersonntags. In der Ferne hätte Friedrich, wenn er sich umgedreht hätte, die Mauern Alexandrias im Schein anderer Feuer sehen können. Baudolino drehte sich um und sah sie. Er wusste, dass viele Flammen aus den Belagerungsmaschinen und den kaiserlichen Unterständen schlugen, aber er stellte sich lieber vor, dass die Alexandriner tanzten und sangen, um ihren Sieg und den Frieden zu feiern.
Nach einer Meile trafen sie auf eine Vorhut der Liga. Die Reiterschar teilte sich und bildete ein Spalier, durch das die Kaiserlichen zogen. Es war nicht klar, ob die Reiter sie grüßten oder sicherheitshalber vor ihnen zur Seite wichen. Einer hob das Schwert, und das konnte als ein Gruß verstanden werden. Aber vielleicht war es auch eine Geste der Ohnmacht, oder eine Drohung. Der Kaiser blickte grimmig vor sich hin und tat, als ob er's nicht sähe.
»Ich weiß nicht«, sagte er, »ich komme mir vor wie einer, der geschlagen abzieht, und die hier entbieten mir die Ehre des Waffengrußes. Baudolino, handle ich richtig?«
»Du handelst richtig, mein Vater. Du
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