Die historischen Romane
bringen ihn nur Baudolino und Abdul«, sagte der Poet, »denn eine größere Eskorte würde die Aufmerksamkeit der Wachen erregen, die dann womöglich meinen, sie müssten sich der Gruppe anschließen. Wir anderen bleiben hier oben zur Bewachung des Zimmers, damit Ardzrouni oder andere nicht daran denken, es zu betreten, und räumen es auf. Oder besser noch, ich gehe runter auf die Mauern, um mit den Wachen zu schwatzen, so kann ich sie ablenken, während ihr die Burg verlasst.«
Es schien, als ob der Poet als einziger noch imstande war, vernünftige Entscheidungen zu treffen. Alle gehorchten. Baudolino und Abdul ritten langsam aus dem Hof, Friedrichs Pferd zwischen sich führend. Sie folgten dem Seitenweg bis zum Hauptweg, ritten vorsichtig über die Stufen ins Tal hinunter und machten sich dann in raschem Trab auf den Weg zum Fluss. Die Wachen grüßten den Kaiser von den Zinnen herab. Der kurze Ritt schien eine Ewigkeit zu dauern, aber endlich erreichten sie das Ufer.
Sie verbargen sich hinter einer Baumgruppe. »Hier sieht uns keiner«, sagte Baudolino. »Die Strömung ist stark, der Körper wird schnell mitgerissen werden. Wir reiten ein Stück ins Wasser, um ihn zu retten, aber der Grund ist steinig, so dass wir ihn nicht erreichen können. Also folgen wir ihm am Ufer und rufen um Hilfe ... Die Strömung treibt ihn zum Lager.«
Sie banden den Leichnam Friedrichs los und entkleideten ihn bis auf das wenige, was ein schwimmender Kaiser braucht, um seine Sittsamkeit zu wahren. Kaum hatten sie ihn in den Fluss gestoßen, riss ihn die Strömung mit sich. Sie ritten ins Wasser, strafften die Zügel so, dass es aussah, als ob die Pferde scheuten, rissen sie herum, kehrten ans Ufer zurück und folgten dort im Galopp der armen, zwischen Strudeln und Steinen umhergeworfenen Leiche, schreiend und gestikulierend, um denen im Lager zu bedeuten, sie sollten den Kaiser retten.
Einige im Lager bemerkten ihre Signale, begriffen aber nicht gleich, was da geschah. Der Körper Friedrichs trieb kreiselnd talwärts, verschwand unter Wasser und tauchte ein Stück weiter vorn wieder auf. Von weitem war nicht leicht zu erkennen, dass da ein Mensch am Ertrinken war. Endlich begriff es jemand, drei Reiter sprengten ins Wasser, doch als der Körper bei ihnen ankam, stieß er gegen die Hufe der erschrockenen Pferde und wurde vorbeigerissen. Weiter unten gingen Soldaten mit Piken ins Wasser, und denen gelang es schließlich, die Leiche zu angeln und ans Ufer zu ziehen.
Als Baudolino und Abdul eintrafen, schien Friedrich ganz entstellt und zerschlagen von den Stößen gegen die Steine, und niemand konnte mehr annehmen, dass er noch lebte. Es erhob sich lautes Wehgeschrei, der Sohn wurde benachrichtigt, der bleich und noch fiebernd herbeigeeilt kam und beklagte, dass sein Vater sich ein weiteres Mal im Kampf mit den Wasserfluten habe messen wollen. Er erzürnte über Baudolino und Abdul, die ihn jedoch daran erinnerten, dass sie nicht schwimmen konnten, wie fast alle Menschen vom Lande, und dass er doch wisse, wie unmöglich es gewesen sei, den Kaiser zurückzuhalten, wenn er sich in den Kopf gesetzt habe, in einem Fluss zu schwimmen.
Die Leiche Friedrichs kam allen aufgedunsen vor, obgleich er – wenn er seit Stunden tot war – kein Wasser geschluckt haben konnte. Aber so ist das eben, wenn man einen Toten aus dem Wasser zieht, glaubt man, dass er ertrunken sei, und findet auch, dass er so aussieht.
Während der junge Friedrich und die anderen Barone sich der irdischen Reste des Kaisers annahmen und erschüttert berieten, was jetzt zu tun war, und während Ardzrouni, von dem schrecklichen Ereignis benachrichtigt, ins Tal hinunterritt, kehrten Baudolino und Abdul auf die Burg zurück, um sich zu vergewissern, dass die anderen inzwischen dort alles in Ordnung gebracht hatten.
»Stell dir vor, was inzwischen passiert war, Kyrios Niketas«, sagte Baudolino.
»Man muss kein Seher sein, um es zu erraten«, sagte Niketas lächelnd. »Die heilige Schale, der Gradal war verschwunden.«
»So ist es. Niemand konnte uns sagen, ob er verschwunden war, als wir unten im Hof dabei waren, Friedrich aufs Pferd zu binden, oder danach, als jeder versuchte, das Zimmer in Ordnung zu bringen. Alle waren sehr aufgeregt durcheinandergeschwirrt wie die Bienen; der Poet war hinuntergegangen, um mit den Wachen zu plaudern, und war folglich nicht da gewesen, um das Handeln der einzelnen mit seinem praktischen Sinn zu koordinieren. Nach einer Weile, als
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