Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
Vom Netzwerk:
Geräusch zu machen.
    »Ich rieche den Weiheduft«, murmelte Boron.
    »Seht ihr diesen Lichtschein?« fragte Abdul.
    »Alle Engel des Himmels steigen zu uns hernieder«, sagte Zosimos überzeugt und bekreuzigte sich verkehrt herum.
    »Dieser Hundesohn«, flüsterte der Poet Baudolino ins Ohr. »Unter diesem Vorwand hat er seine heilige Messe mit dem Gradal zelebriert, und wenn er in seine Heimat zurückkehrt, wird er sich überall damit brüsten, von der Champagne bis zur Bretagne.« Baudolino flüsterte zurück, er solle nicht so giften, Kyot agiere wirklich wie einer, der in den höchsten Himmel entrückt ist.
    »Niemand wird uns mehr beugen können«, sagte Friedrich, von einer tiefen mystischen Rührung ergriffen. »Bald wird Jerusalem befreit sein. Und dann machen wir uns alle zusammen auf, um diese hochheilige Reliquie dem Priester Johannes zurückzubringen. Baudolino, ich danke dir sehr für das, was du mir gegeben hast. Jetzt bin ich wirklich Rex et Sacerdos ...«
    Er lächelte, und gleichzeitig zitterte er. Die kurze Zeremonie schien ihn heftig erregt zu haben. »Ich bin müde«, sagte er. »Baudolino, ich verschließe das Zimmer jetzt mit diesem Riegel. Haltet gut Wache, und habt Dank für eure Ergebenheit. Weckt mich erst, wenn die Sonne hoch am Himmel steht. Dann werde ich schwimmen gehen.« Sprach's und fügte noch hinzu: »Ich bin furchtbar müde, ich würde am liebsten jahrhunderte- und aberjahrhundertelang schlafen.«
    »Eine lange ruhige Nacht wird dir reichen, mein Vater«, sagte Baudolino liebevoll. »Du musst nicht frühmorgens schwimmen gehen. Wenn die Sonne hoch steht, ist das Wasser nicht mehr so kalt. Schlaf gut.«
    Sie gingen hinaus. Friedrich schloss die Tür, und sie hörten das Scharren des Riegels. Dann verteilten sie sich auf die Bänke rings an den Wänden.
    »Uns steht hier kein kaiserlicher Abort zur Verfügung«, sagte Baudolino. »Gehen wir rasch unsere Bedürfnisse im Hof verrichten. Immer nur einer, damit der Saal hier nie unbewacht bleibt. Dieser Ardzrouni mag ja ein braver Mann sein, aber wir dürfen uns nur auf uns selbst verlassen.« Nach einer Weile waren alle wieder da. Baudolino löschte das Licht, sagte allen gute Nacht und versuchte einzuschlafen.
     
    »Ich hatte irgendwie ein dummes Gefühl, Kyrios Niketas, ohne zu wissen, warum. Ich schlief unruhig und wachte nach kurzen wirren Träumen wieder auf, als hätte ich einen Albtraum gehabt. Im Halbschlaf erschien mir meine arme Colandrina, sie trank aus einem Gradal, der aus schwarzem Stein war, und sank tot zu Boden. Eine Stunde später hörte ich ein Geräusch. Auch der Waffensaal hatte ein Fenster, durch das bleiches Nachtlicht einfiel, ich glaube, der Mond stand als dünne Sichel am Himmel. Ich begriff, dass es der Poet war, der hinausging. Vielleicht hatte er sich noch nicht genügend erleichtert. Später – ich weiß nicht wann, ich war wieder eingeschlafen und wieder aufgewacht, und jedes Mal schien mir, dass nur wenig Zeit vergangen war, aber das stimmte vielleicht nicht –, später ging auch Boron hinaus. Dann hörte ich ihn zurückkommen und hörte, wie Kyot ihm zuflüsterte, auch er sei nervös und wolle ein bisschen frische Luft schnappen. Aber schließlich war es meine Pflicht, darauf zu achten, wer hereinzukommen versuchte, nicht wer hinausging, und ich begriff, dass wir alle unruhig waren. Danach erinnere ich mich an nichts mehr, ich weiß nicht, wann der Poet zurückkam, aber lange vor Tagesanbruch schliefen sie alle tief, und so habe ich sie gesehen, als ich kurz vor Sonnenaufgang erwachte.«
     
    Inzwischen lag der Waffensaal im Licht des triumphierenden Morgens. Einige Diener brachten Wein und Brot sowie ein paar Früchte aus der Gegend herein. Obwohl Baudolino wiederholt mahnte, keinen Lärm zu machen, damit der Kaiser nicht gestört wurde, rumorten alle recht munter. Nach einer Stunde schien Baudolino, obwohl der Kaiser darum gebeten hatte, nicht geweckt zu werden, dass es nun spät genug sei. Er klopfte an die Tür. Keine Antwort. Er klopfte erneut.
    »Tiefer Schlaf, das«, lachte der Poet.
    »Vielleicht hat er sich nicht so gut gefühlt«, überlegte Baudolino.
    Sie klopften abermals, immer lauter. Keine Antwort.
    »Gestern hat er wirklich erschöpft ausgesehen«, sagte Baudolino. »Vielleicht hat er einen Schwächeanfall gehabt. Brechen wir die Tür auf!«
    »He, langsam!«, sagte der Poet. »Eine Tür aufzubrechen, die den Schlaf eines Kaisers schützt, das ist fast ein Sakrileg!«
    »Begehen wir

Weitere Kostenlose Bücher