Die historischen Romane
das Sakrileg«, sagte Baudolino. »Diese Sache gefällt mir nicht.«
Sie warfen sich gegen die Tür, die robust war, und solide war offenbar auch der Riegel, der sie versperrte.
»Noch einmal alle zugleich, auf los alle mit der Schulter dagegen«, sagte der Poet, dem bewusst wurde, dass ein Kaiser, der nicht erwachte, wenn man seine Tür aufbricht, einen verdächtigen Schlaf tat. Die Tür hielt noch immer. Der Poet ging Zosimos holen, der an seiner Kette lag, und stellte alle in zwei Reihen auf, so dass sie gleichzeitig mit voller Wucht gegen beide Türflügel donnern konnten. Beim vierten Versuch gab die Tür endlich nach.
Friedrich lag mitten im Zimmer, reglos, fast unbekleidet, so wie er sich zu Bett gelegt hatte. Neben ihm der Gradal, auf den Boden gefallen und leer. Im Kamin nur noch ein paar verkohlte Reste, als ob er angezündet worden und dann erloschen wäre. Das Fenster war geschlossen. Im Raum herrschte ein Geruch von verbranntem Holz und Kohlenasche. Boron ging hustend ans Fenster, um frische Luft einzulassen.
In der Annahme, dass jemand eingedrungen war und sich noch im Raum befand, stürmten der Poet und Boron los, um mit gezogenem Schwert jeden Winkel zu untersuchen, während Baudolino, der neben Friedrich niedergekniet war, ihm mit einer Hand den Kopf anhob und mit der anderen leichte Backenstreiche versetzte. Der Boidi erinnerte sich an das Herzmittel, das er in Kalliupolis gekauft hatte, öffnete die Kapsel an seinem Ring, zog die Lippen des Kaisers auseinander und träufelte ihm die Flüssigkeit in den Mund. Friedrich zeigte keinerlei Regung. Sein Gesicht war fahlgrau. Rabbi Solomon beugte sich über ihn, versuchte seine Augen zu öffnen, befühlte seine Stirn, seinen Hals, seinen Puls, dann sagte er zitternd: »Dieser Mann ist tot, möge der Herr, der Gesegnete heilig sei immerdar, seiner Seele gnädig sein.«
»Herr Jesus Christus, das kann nicht sein!« schrie Baudolino auf. Doch so unerfahren er in medizinischen Dingen war, musste er doch erkennen, dass Friedrich Barbarossa, der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, Hüter des allerheiligsten Gradals, Hoffnungsträger der Christenheit, letzter und legitimer Nachfolger Caesars, des Kaisers Augustus und Karls des Großen, nicht mehr war. Er brach in Tränen aus, bedeckte das bleiche Gesicht mit Küssen, nannte sich seinen geliebtesten Sohn in der Hoffnung, der Kaiser könne es hören, aber schließlich wurde ihm klar, dass alles vergeblich war.
Er stand auf, drängte die Freunde, noch einmal überall nachzusehen, auch unter dem Bett, sie durchsuchten alle Winkel nach Geheimgängen und -türen, klopften alle Wände ab, aber es war offensichtlich, dass nicht nur nirgendwo jemand versteckt war, sondern dass auch niemand sich jemals irgendwo in diesem Zimmer hätte verstecken können. Friedrich Barbarossa war in einem hermetisch verschlossenen Raum gestorben, den er selbst von innen verriegelt hatte und der außen von seinen getreuesten Söhnen bewacht worden war.
»Holt Ardzrouni herbei, der ist ein Experte in medizinischer Kunst«, rief Baudolino.
»Auch ich bin ein Experte in medizinischer Kunst«, beschwerte sich Rabbi Solomon. »Glaub mir, dein Vater ist tot.«
»Mein Gott, mein Gott!« rief Baudolino. »Mein Vater ist tot! Benachrichtigt die Wachen, holt seinen Sohn. Suchen wir seine Mörder!«
»Moment«, sagte der Poet. »Warum soll das ein Mord sein? Er war in einem verschlossenen Zimmer, er ist tot. Da liegt der Gradal zu seinen Füßen, der das Gegengift enthielt. Vielleicht hat er sich unwohl gefühlt, hat gedacht, er wäre vergiftet worden, und hat es getrunken. Übrigens hat das Kaminfeuer gebrannt. Wer außer ihm kann es angezündet haben? Ich habe von Leuten gehört, die plötzlich einen starken Schmerz in der Brust verspürten – kalter Schweiß brach ihnen aus, sie wollten sich wärmen, sie klapperten mit den Zähnen, und kurz darauf waren sie tot. Vielleicht hat der Rauch des Kamins seinen Zustand noch verschlimmert.«
»Was für ein Zeug war da im Gradal?« schrie plötzlich Zosimos auf, rollte die Augen und packte Rabbi Solomon an der Brust.
»Sei still, Elender«, sagte Baudolino. »Auch du hast gesehen, dass Kyot von dem Zeug gekostet hat.«
»Zu wenig, zu wenig«, jammerte Zosimos und schüttelte Solomon. »Ein Schluck genügt nicht, um sich zu betrinken! Wie blöd von euch, einem Juden zu trauen!«
»Blöd von uns war's, einem verdammten Griechen wie dir zu trauen«, rief der Poet, versetzte Zosimos einen
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