Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die historischen Romane

Die historischen Romane

Titel: Die historischen Romane Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
Vom Netzwerk:
Hieb und trennte ihn so von dem armen Rabbi, der vor Angst mit den Zähnen klapperte.
    In der Zwischenzeit hatte Kyot den Gradal aufgehoben und andächtig in den Schrein zurückgestellt.
    »Du meinst also«, fragte Baudolino den Poeten, »er ist nicht umgebracht worden, sondern durch den Willen des Herrn gestorben?«
    »Das ist leichter anzunehmen, als an ein Luftwesen zu denken, das durch die Tür geschlüpft sein soll, die wir so gut bewacht haben.«
    »Also rufen wir den Sohn und die Wachen«, sagte Kyot.
    »Nein«, sagte der Poet. »Freunde, hört zu, es geht um unseren Kopf. Friedrich ist tot, und wir wissen, dass niemand in dieses verschlossene Zimmer hätte eindringen können. Aber der Sohn und die anderen Barone, die wissen das nicht. Für sie würden wir es gewesen sein.«
    »Was für ein elender Gedanke!« sagte Baudolino immer noch schluchzend.
    Darauf der Poet: »Hör zu, Baudolino: Der Sohn mag dich nicht, er kann uns nicht leiden und hat uns immer misstraut. Wir waren die Wache, der Kaiser ist tot, also sind wir die Verantwortlichen. Noch bevor wir etwas sagen können, wird er uns am nächsten Baum aufgeknüpft haben, und wenn es in diesem verfluchten Tal keine Bäume gibt, wird er uns an die Burgmauern hängen. Du weißt sehr wohl, Baudolino, der Sohn hat diese Geschichte mit dem Gradal immer als ein Komplott angesehen, mit dem wir versuchten, seinen Vater an einen Ort zu locken, an den er nie hätte gehen dürfen. Er wird uns töten, um sich mit einem Schlag von uns allen zu befreien. Und seine Barone? Die Nachricht, dass der Kaiser umgebracht worden sei, würde sie dazu treiben, sich gegenseitig zu beschuldigen, es würde ein Massaker geben. Wir sind die Sündenböcke, die zum Wohle aller geopfert werden müssen. Wer wird der Aussage glauben, die ein kleiner Bastard wie du macht, entschuldige, du weißt schon, wie ich das meine, und dazu ein Säufer wie ich, ein Jude, ein Schismatiker, drei fahrende Scholaren und der Boidi, der als Alexandriner am meisten Gründe zum Hass auf Friedrich hatte? Wir sind bereits tot, Baudolino, so tot wie dein Adoptivvater.«
    »Also was?« fragte Baudolino.
    »Also ist die einzige Lösung«, sagte der Poet, »sie glauben zu machen, dass Friedrich woanders gestorben sei, nicht hier, wo wir ihn hätten beschützen müssen.«
    »Und wie das?«
    »Hat er nicht gesagt, dass er im Flus schwimmen wollte? Wir ziehen ihn ordentlich an und legen ihm seinen Mantel um. Wir bringen ihn in den kleinen Hof, wo niemand ist, aber wo seit gestern Abend die Pferde warten. Wir binden ihn im Sattel fest und reiten zum Fluss hinunter, und dort wird ihn das Wasser mit sich fortreißen. Ein ruhmreicher Tod für diesen Kaiser, der, wenngleich schon alt, sich mit den Naturkräften misst. Der Sohn wird entscheiden, ob nach Jerusalem weitergezogen oder umgekehrt wird. Und wir können sagen, dass wir nach Indien weiterziehen wollen, um das letzte Gelübde unseres verstorbenen Herrn zu erfüllen. Der Sohn glaubt ja, wie es scheint, nicht an den Gradal. Also nehmen wir ihn und gehen, um zu tun, was der Kaiser hatte tun wollen.«
    »Aber das heißt, einen Tod vorzutäuschen«, sagte Baudolino mit verlorenem Blick.
    »Ist er denn nicht tot? Er ist tot. So schmerzlich das für alle sein mag, er ist tot. Wir gehen doch nicht hin und erzählen, er sei gestorben, während er noch lebt. Er ist tot, Gott nehme ihn unter seine Heiligen auf. Wir sagen lediglich, er sei im Fluss ertrunken, unter freiem Himmel, nicht in diesem Zimmer, wo wir ihn hätten beschützen müssen. Lügen wir damit? Nur ein bisschen. Wenn er gestorben ist, was spielt es da für eine Rolle, ob er hier drinnen oder dort draußen gestorben ist? Haben wir ihn etwa umgebracht? Wir wissen alle, dass es nicht so war. Wir lassen ihn dort sterben, wo uns auch die Übelwollendsten nicht die Schuld dafür geben können. Baudolino, das ist der einzige Ausweg, es gibt keinen anderen, egal ob du bloß deine Haut retten oder ob du zum Priester Johannes gelangen willst, um in seiner Gegenwart Friedrichs höchsten Ruhm zu preisen.«
    Der Poet hatte recht, auch wenn Baudolino seine kalte Logik verfluchte, und alle waren derselben Meinung. Sie kleideten den Kaiser an, trugen ihn in den kleinen Hof hinunter, setzten ihn auf sein Pferd, banden ihn gut fest und stärkten ihm den Rücken auf ähnliche Weise, wie es der Poet einst bei den drei Magierkönigen getan hatte, damit es so aussah, als säße er hochaufgerichtet im Sattel.
    »Zum Fluss hinunter

Weitere Kostenlose Bücher