Die historischen Romane
durstig geworden, ihre Blasen seien inzwischen leer, und so wäre es klüger gewesen, sie hätten sich zu einem Fluss begeben oder sonst irgendwohin, wo es feuchter war als da, wo sie sich gerade befanden.
Immer wieder hörten sie von Zosimos. Jemand hatte ihn gesehen, jemand hatte von einem Mann mit schwarzem Bart gehört, der sich nach dem Reich des Priesters Johannes erkundigte. Worauf unsere Freunde begierig fragten: »Und was habt ihr ihm gesagt?«, und fast immer antworteten die Leute, sie hätten das gesagt, was dort alle wüssten, nämlich dass der Priester Johannes im Osten wohne, aber dass man Jahre brauche, um dorthin zu gelangen.
Der Poet schimpfte wütend, in den Handschriften der Bibliothek von Sankt Viktor sei zu lesen, dass die, die in jene Länder gereist sind, nichts anderes taten als immerfort auf prächtige Städte zu stoßen, mit Tempeln, deren Dach mit Smaragden gedeckt war, Palästen mit goldenen Saaldecken, Säulen mit Kapitellen aus Ebenholz, Statuen, die zu leben schienen, goldenen Altären mit sechzig Stufen, Mauern aus purem Saphir, Steinen, die so leuchteten, dass sie die Räume wie Fackeln erhellten, auf Berge aus Kristall, Flüsse aus Diamanten, Gärten mit Bäumen, aus denen balsamische Düfte stiegen, die es den Bewohnern erlaubten, allein vom Einsaugen ihrer Gerüche zu leben, auf Klöster, in denen nur farbenprächtigste Pfauen gezüchtet wurden, deren Fleisch keiner Verwesung unterlag und sich auf Reisen dreißig Tage und länger auch in glühender Sonne frisch hielt, ohne je einen schlechten Geruch anzunehmen, auf herrlich klare Brunnen, deren Wasser schimmerte wie das Licht des Blitzes, so dass, wenn man einen in Salz getrockneten Fisch hineinwarf, er sofort zum Leben erwachte und davonflitzte, ein Zeichen, dass es sich um den Brunnen der ewigen Jugend handelt ... Sie aber hatten bisher nichts als Wüsten, Gestrüpp und Geröllfelder gesehen, bei denen man sich nicht einmal auf die Steine setzen konnte, weil sie so heiß waren, dass sie einem den Hintern verbrannten, die einzigen Städte, auf die sie gestoßen waren, hatten aus elenden Hütten bestanden, bewohnt von abstoßenden Wesen, wie Colandiofonta, wo die Artabanten lebten, Menschen, die auf allen vieren gingen wie die Schafe, oder Iambut, wo sie gehofft hatten, ein wenig Ruhe zu finden, nachdem sie durch sonnenverbrannte Ebenen gezogen waren, und wo die Frauen zwar nicht schön, aber auch nicht allzu hässlich waren, jedoch, wie sich herausstellte, ihren Ehemännern so übertrieben treu, dass sie zur Verteidigung ihrer Keuschheit giftige Vipern in der Vagina trugen – und wenn sie das wenigstens vorher gesagt hätten, aber nein, eine hatte vorgetäuscht, sich dem Poeten hinzugeben, der sich um ein Haar der ewigen Keuschheit hätte verschreiben müssen und gerade noch zurückspringen konnte, als er zu seinem Glück das Zischen hörte ... Bei den Sümpfen von Kataderse waren sie auf Männer gestoßen, deren Hodensäcke bis zu den Knöcheln herunterhingen, und in Nekuweran auf Menschen, die nackt wie die wilden Tiere waren und sich in den Straßen paarten wie Hunde, der Vater besprang die Tochter, der Sohn die Mutter. In Tana waren sie Menschenfressern begegnet, die zum Glück keine Ausländer fraßen, weil sie sich vor ihnen ekelten, sondern bloß ihre eigenen Kinder. An dem Fluss Arlon waren sie in ein Dorf geraten, wo die Einwohner um ein Götzenbild tanzten und sich mit scharfen Messern Wunden in alle Glieder schnitten, dann wurde das Götzenbild auf einen Karren geladen und durch die Straßen gefahren, und viele warfen sich fröhlich unter die Räder und ließen sich die Glieder zermalmen, bis sie daran starben. In Salibut hatten sie einen Wald durchquert, in dem es von froschgroßen Flöhen wimmelte, in Karjamarja waren sie pelzigen Männern begegnet, die wie Hunde bellten, und nicht einmal Baudolino konnte ihre Sprache verstehen, und Frauen mit Wildschweinzähnen, Haaren bis zu den Füßen und Kuhschwänzen.
Diese und andere schaurigen Dinge hatten sie gesehen, aber nichts von den Wundern des Orients, kein einziges, als wären alle, die darüber geschrieben haben, große Lügner gewesen.
Ardzrouni riet zur Geduld, er habe ihnen doch gesagt, dass vor dem Irdischen Paradies eine ziemlich wilde Gegend komme, aber der Poet entgegnete, wilde Gegenden würden von wilden Tieren bewohnt, denen sie zum Glück noch nicht begegnet seien, was aber dann wohl auch noch kommen werde, und wenn das, was sie bisher gesehen hatten,
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